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«Es gibt keine gute oder schlechte Biodiversität»

Von Sabine Born ‒ 7. Juli 2023

Biodiversität ist in aller Munde. Damit Grünflächen ihre ökologische Wirkung entfalten, kommt dem Unterhalt eine zentrale Rolle zu – in der Pflege, aber auch in der Vermittlung von Know-how. Wie das geht, erklärt Biologin Manuela Di Giulio.

Biodiversität ist in jedem Garten und Umschwung möglich. (Bild: cef)

In Zollikon und Zumikon leben viele in eigenen Liegenschaften oder besitzen Häuser, die sie vermieten. Biodiversität fördern, ist ein Appell an alle, die Grünflächen haben und pflegen. Eine Aufforderung, mehr und mehr bunte Inseln zu schaffen. Eine Strategie, um das Insekten- und Artensterben einzudämmen. Biodiversität, ein viel benutzter Begriff, der doch nur schwer fassbar ist. «Ein abstrakter Begriff auch», sagt Manuela Di Giulio, Biologin und Geschäftsleiterin der «Natur Umwelt Wissen GmbH», dem in ­Zürich ansässigen Büro für Umwelt- und Wissenschaftskommunikation, feldbiologische Expertisen und Wildbienenkunde.

«Biodiversität umfasst die Vielfalt an Lebensräumen wie Bäume, ­Wiesen, Sträucher, Wälder und Seen», erklärt die Biologin. «Sie ­bezeichnet die Vielfalt der Arten, der Vögel, Säugetiere, Insekten und Pflanzen, die genetische Vielfalt, weil es auch innerhalb der Arten Unterschiede gibt. Eine Buche im Wallis unterscheidet sich von der Buche in Basel, passt sich dem lokalen Klima und Boden an, so dass genetische Unterschiede entstehen. Hinzu kommt die Wechselbeziehung zwischen den Arten sowie in Bezug auf ihre Lebensräume.»

Biodiversität ist somit das Leben in der Natur mit all seinen Facetten. Sie unterscheidet sich je nach ­Lebensraum und Region. «Die Schweiz hat Berge, das Mittelland, den Jura mit jeweils unterschiedlichen Böden, anderem Klima und Wetter. Deshalb besitzt sie eine hohe Biodiversität, die im Wallis eine ganz andere ist als in der Innerschweiz. Unterschiede, die in den letzten Jahren teilweise abgenommen haben. Bei den Wiesen etwa hat eine Homogenisierung stattgefunden.»

Die einen fliehen, andere kommen

Die Gründe für die Angleichung der Vegetation sind vielfältig: Die Menge an Gülle und Kunstdünger auf den Wiesen im Mittelland und in den Voralpen hat stark zugenommen. Gräser, die den Dünger gut nutzen, wachsen schnell und verdrängen weniger wuchsstarke Pflanzen wie Beikräuter oder Blumen. Stark gedüngte Wiesen sehen überall gleich aus. Ein schleichender Prozess. Zur Düngung kommen Stickstoffe aus der Luft von Verkehr, Industrie und Landwirtschaft, die sich vor allem auf Naturschutzgebiete negativ auswirken, auf nährstoffarme Moore oder Trockenrasen. Für erstere ist der Klimawandel eine zusätzliche Gefährdung: Moore trocknen aus und in den Alpen weichen gewisse kälteangepasste Arten wie Schneehühner oder Alpenrosen aus und wandern analog der Schneefallgrenze immer höher.

«Wärmeliebende Insekten und Pflanzen wiederum profitieren vom Klimawandel. Das ist ein natürlicher Prozess. Für Manuela Di Giulio gibt es «keine gute oder schlechte Biodiversität». Die Schweiz habe aber eine Verantwortung für ihre Flora und Fauna, sie hat die Biodiversitätskonvention unterschrieben. Indes, ist es wirklich so einfach, die Biodiversität zu fördern? Ist es mit dem Ausbringen geschenkter Wildblumensamen getan? «Viele Rasenflächen lassen sich mit einem reduzierten Pflegeaufwand und einfachen Massnahmen relativ leicht in eine artenreiche Blumenwiese umwandeln. Das heisst, nicht düngen, keine Pestizide ausbringen und weniger mähen. So können sich nebst Klee und Gänseblümchen auch Margeriten, Butterblumen oder Hornklee etablieren. Das braucht etwas Zeit und Geduld.» Biodiversität spart jedoch Arbeitszeit oder führt zu einer Verschiebung gewisser Arbeiten, wenn man beispielsweise Königskerzen und andere Stauden im Frühling statt im Herbst schneidet und damit Insekten wertvolle Überwinterungsorte bietet. Die Kosten für Pestizide und Dünge­mittel reduzieren sich. Andererseits sind neue Geräte erforderlich: Oszillierende Balkenmäher sind insektenfreundlicher als Rasen- und Fadenmäher. Das Schnittgut bleibt liegen, bis es trocknet, die Blumen absamen und Insekten Zeit haben, einen neuen Ort aufzusuchen.

Gemeinden als Vorbilder

Die Grünflächenpflege ist also relativ einfach anzupassen. Gerade in der Heckenpflege ist mit wenig Aufwand eine grosse biologische Wirkung zu erreichen. Schwieriger ist es, die Bevölkerung aufzuklären und Akzeptanz für naturnahe Grünräume zu schaffen. Manuela Di Giulio ist überzeugt: «Hier kommt Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern, Hauswartinnen und Hauswarte eine wichtige Rolle zu. Sie können Mieterinnen und Mieter darauf hinweisen, dass ein Schwarz- oder Weissdorn wertvoller ist als ein Kirschlorbeer, erklären, weshalb der regelmässig gemähte Rasen weniger oft gemäht wird. Ihr Einsatz erfordert auch Mut, weil man sich mit der gewohnten Grünflächenpflege nicht selten vor dem Vorwurf schützt, nichts zu tun und faul zu sein. «Hier nehmen die Gemeinden eine Vorbildfunktion ein, indem sie selber artenreiche Grünflächen und Wildstaudenrabatten anlegen und damit zeigen, dass naturnah nicht gleich ungepflegt ist.»

Praxishandbuch

Grün Stadt Zürich und die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW haben ein tolles Praxishandbuch für die naturnahe Pflege im Siedlungs- und Wohnraumumfeld erarbeitet. Für verschiedene Bodenprofile (Blumenrasen, Schotterrasen, Plattenbeläge, etc.) sind wichtige Pflegemassnahmen auf einer Doppelseite übersichtlich zusammengefasst.


Was in Zollikon und Zumikon geschieht

«Gut Ding will Weile haben», sagt Stefanie Majer, Architektin und Fachspezialistin Bauverfahren bei der Gemeinde Zollikon. «Wird ein Garten neu bepflanzt, braucht es mindestens zwei Jahre, bis das ­Ergebnis bestaunt werden kann.» Allein die Aktualisierung des ­Natur- und Landschaftsschutz-Inventars werde etwa eineinhalb Jahre ­dauern. «Die Gemeinde hat das ­Regionale Leitbild des Naturnetz Pfannenstil mitunterschieben – und sich verpflichtet, eine Vorreiterrolle einzunehmen. Bis 2026 sollen die Grünflächen der Gemeinde, deren Nutzungen es zulassen (ausgenommen sind intensiv genutzte Sportanlagen, Gebrauchsrasen und landwirtschaftlich genutzte Flächen) naturnah gepflegt werden.»

Die Gemeinde bearbeite zurzeit zahlreiche Grundlagen für die Biodiversität in der Siedlung. Die naturnahe Pflege der Grünflächen ist in aller Regel günstiger oder kostenneutral im Vergleich mit einer intensiven Nutzung/Pflege. Die Akzeptanz ökologischer Aufwertungsmassnahmen in Land-/Forstwirtschaft und im Siedlungsraum zu fördern, ist ein Ziel für die nächsten Jahre.

Auch in Zumikon ist die Biodiversität seit Jahren ein Thema. Ein Grossprojekt gebe es nicht, erklärt Gemeindeschreiber Thomas Kauflin. Auch bei Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen werde projektbezogen geprüft, wo Massnahmen zur Förderung der Biodiversität umgesetzt werden können. In Kürze wird dies beispielsweise beim Neubau des TTG-­Gebäudes auf der Schulanlage ein Thema sein, vor allem in der ­Aussenraumgestaltung und Wiederherstellung der Umgebung nach Bauabschluss. Bei der Erneuerung des Pausenplatzes wurde die Grünfläche wesentlich vergrössert. In diesem Frühjahr wurden die Rabatten oberhalb Sport- und Fussballplatz erneuert und unter Bio­diversitäts-Gesichtspunkten neu angesetzt. Generell wurde vorgehend zur Submission der Unterhaltsarbeiten für die Grünflächen in der Gemeinde im Jahr 2021 ein neues Pflegehandbuch erstellt. (als)

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