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Nachgefragt: Fernkälte, eine verpasste Chance?

Von Joël J. Meyer ‒ 13. Juli 2023

Im Juni haben die Zolliker Stimmberechtigten der ­Realisierung ihres Fernwärmenetzes zugestimmt. Nebst Fernwärme ist es in einem Energieverbund auch möglich, Kälte zu produzieren und zu verteilen. Dies bedingt den Bau zusätzlicher Infrastruktur, vor allem Kälteleitungen. Die Bauarbeiten gehen voran, doch für Zollikon ist eine Kälteversorgung nicht vorgesehen.

Die Arbeiten auf der Wässerig-Wiese sind im Gang. Gebaut wird der unterirdische Wärmeaustauscher für den Energieverbund. (Bild: zvg)
Die Arbeiten auf der Wässerig-Wiese sind im Gang. Gebaut wird der unterirdische Wärmeaustauscher für den Energieverbund. (Bild: zvg)

Nachgefragt bei Patrick Dümmler, Gemeinderat und Verwaltungsratspräsident der Netzanstalt Zollikon:

Im «Gesundheitscluster Lengg» wird sowohl ein Wärme- als auch ein Kältenetz gebaut. Wird das zwischen Lengg und Zollikon liegende Wohngebiet (Zürcher Nieder­hofenrain) auch ans Kältenetz angeschlossen? Wenn nein, warum nicht?

Nach meinem Wissen wird im ­Gesundheitscluster Lengg nur ein Anergienetz (Kaltwassernetz) gebaut. Bei den einzelnen Kliniken kann das Anergienetz sowohl zur Wärme- wie zur Kältenutzung verwendet werden. Es ist vorgesehen, auch weitere Wohnquartiere wie den Niederhofenrain ab einer Energie­zentrale zu versorgen, dabei wird wie in Zollikon nur eine Wärmeversorgung gebaut und keine Kälteversorgung.

Für den Energieverbund der Gemeinde Zollikon ist der Bau eines Kältenetzes überhaupt nicht geplant. Weshalb wird darauf verzichtet?

In unserem Energieverbund wird in den beiden Zentralen Riet und Fohrbach mit dem Seewasser mittels Wärmepumpen warmes Wasser erzeugt. Dies kann nicht nur im Winter für die Beheizung von Räumen verwendet werden, sondern sichert ganzjährig für die Warmwasseraufbereitung den Absatz. Die Erstellungskosten lassen sich dadurch besser amortisieren als bei einem Kühlnetz, das von den meisten wohl nur an den wirklich heissen Tagen genutzt werden dürfte. Der Bau eines Kühlnetzes ist aufwendig: So müsste nicht nur mehr in die Technik investiert werden, sondern es müssten in den Strassen parallel zur Wärme auch Rohre für die Kälte verlegt werden.

Ein Kältenetz bietet Vorteile für das lokale Gewerbe, beispielsweise bei Kühlräumen. Warum wird davon ausgegangen, dass es in Zollikon keine künftigen Kältebezüger gibt?

In den Spitälern des Gesundheitsclusters Lengg besteht neben Wärme ein konstanter Bedarf für Kühlung. In Zollikon fehlen uns heute in den beiden durch die Bevölkerung abgesegneten Perimetern genügend grosse Abnehmer, die konstant auch Kühlung benötigen würden. Sollte sich dies in Zukunft fundamental ändern, müsste die Situation neu beurteilt werden. Aber bereits heute ein Kühlnetz auf Vorrat zu bauen, ist finanziell nicht verantwortbar. Eine Option eröffnet sich allenfalls durch eine der nächsten Ausbauetappen, über die ich öffentlich bereits informierte, die aber nicht Gegenstand der erfolgten Abstimmungen waren: Der Anschluss des Spitals Zollikerberg als Ankernutzer würde dem Wärmenetz einen dritten Perimeter in der Gemeinde eröffnen. Für das Spital ist dabei auch die Kühlung ein Thema. Noch ist das Ganze aber nicht entscheidungsreif, die Abklärungen laufen noch. Ob sich dadurch Anschlussmöglichkeiten für weitere Nutzer in der ­Umgebung des Spitals ergeben, ist also noch offen. Am ehesten besteht die Option für Wärme; der Bau eines erweiterten Kühlnetzes wäre aufgrund der zusätzlichen Investitionen und des erwartenden nur ­zeitweise erfolgenden Absatzes wahrscheinlich kaum finanzierbar.

Ein Kältenetz ist im Sommer energieeffizienter als eine Vielzahl ­individueller Klimageräte. Wäre ein solches Netz im Sinne der Nachhaltigkeit nicht auch für private Haushalte sinnvoll?

Nur bedingt. Wahrscheinlich ist es sinnvoller, nur diejenigen Räumlichkeiten mit einer Klimaanlage zu kühlen, welche auch wirklich gekühlt werden müssen. Individuelle Klimageräte benötigen zwar Strom, aber dieser wird in Zukunft dank des sich beschleunigenden Zubaus von Solaranlagen vor allem im Sommer genügend vorhanden sein. Schon heute sehen wir dies in Europa: An vereinzelten Tagen mit viel Sonne ist der Stromtarif negativ, das heisst, Verbraucher im freien Markt erhalten sogar Geld für den Strombezug.

Das EWZ bietet mit dem Projekt «CoolCity» im Zentrum der Stadt Zürich eine umfassende Wärme- und Kältelösung mit Seewasser. Käme eine solche Option nicht auch für Zollikon in Frage?

Das erwähnte Projekt beschränkt sich meines Wissens auf das Zentrum der Stadt mit ihren zahlreichen Büro- und Retailflächen – Grossabnehmer eben. Zollikon weist eine andere Nutzungsstruktur der Immobilien aus als das Stadtzentrum Zürichs, ein Wärme- und Kältenetz würde sich wohl kaum rentieren. Ein möglicher Ausweg wäre eine Anschlusspflicht, das bedeutet, alle Liegenschaften müssten finanziell zur Amortisation der beiden Netze beitragen. Ich bin aber klar der Meinung, dass es den Immobilienbesitzerinnen und -besitzern überlassen werden soll, für welche Lösung sie sich technisch und letztlich auch aus finanziellen Gründen entscheiden.


Zolliker Gemeinderat Patrick Dümmler (Bild: zvg)

Gemeinderat Patrick Dümmler be­antwortet Fragen zum Thema Fernwärme und Fernkälte in Zollikon. (Bild: zvg)

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