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Weiche Naturtöne vom langen Horn

Von Franca Siegfried ‒ 20. Juli 2023

Am 1. August wird Karl Furrer in Zollikon im Trio sein Alphorn spielen. Warum ihn das Nationalinstrument fasziniert und es sogar in der Stadt Zürich eine Alphornvereinigung gibt.

Karl Furrer hat sein erstes Horn einem Bergler abgekauft – schön zum Anschauen, nicht zum Spielen. (Bild: fms)
Karl Furrer hat sein erstes Horn einem Bergler abgekauft – schön zum Anschauen, nicht zum Spielen. (Bild: fms)

Alles hat seine Regeln – auch Alphornspielen. Schweizer Alphornbläserinnen und -bläser sind Teil des Eidgenössischen Jodlerverbandes. Ein «Technisches ­Regulativ» bestimmt die Klassierung ihrer musikalischen Vorträge, jeweils von Juroren am Eidgenös­sischen Jodlerfest bewertet: «Wir haben beim letzten in der Stadt Zug Note zwei – ein Gut – bekommen», sagt Karl Furrer. «Die Noten liegen zwischen eins und vier.» Bei Ungenügend droht sogar eine Disqualifikation. Die Alphorngemeinschaft ist straff organisiert, bürgt für musikalische Qualität und erleichtert den Gemeinden, für die 1. August-Feier gute Alphornbläserinnen und -bläser zu engagieren. Auch in Zollikon – die Alphornvereinigung ­Zürich-Stadt ist ein sicherer Wert für den Festanlass. Sie besteht seit 40 Jahren und Karl Furrer war von 2003 bis 2018 ihr Obmann. Er bezauberte mit seinen Klängen schon mindestens acht Mal die Zolliker Bevölkerung: «Über dem Zürichsee zu spielen ist ein besonderes Erlebnis. Mit dieser wunderschönen ­Kulisse, den gut sichtbaren, umliegenden Höhenfeuern und einem dankbaren Publikum.»

Nationalinstrument

Der 1. August ist ein Kraftakt für die Alphornvereinigung. Für den Nationalfeiertag braucht es nicht nur trainierte Mundmuskeln und eine gut sitzende Tracht, sondern auch Logistik: Das erste Spiel beginnt am Mittag auf dem Bürkliplatz vor der Nationalbank – Karl Furrer hat vier Auftritte an verschiedenen Orten. Er wird in Zollikon mit Christoph Schweizer und Esther Wirth als Trio auftreten. In der Zürcher Vereinigung mit vielen Passivmitgliedern und Gönnern spielen derzeit zwölf aktiv Alphorn, davon fünf Frauen. Geprobt wird bis zweimal die Woche in Schwamendingen: Jeweils am Dienstag im Schützenhaus, am Freitag in der Turnhalle der Schule Friedrichstrasse. Das Instrument gilt als Nationalinstrument und ist zugleich Symbol für die alpine Milchwirtschaft – ursprünglich diente eine am Hang und daher krumm gewachsene Tanne als Rohling für das Horn.

Naturtonreihe

Auch in den Bergen hat sich Karl Furrer in dieses Instrument verliebt beziehungsweise in die weichen Naturtöne des hölzernen Horns. Mit seiner Familie hat er in den 1980er-Jahren im schwyzerischen Oberiberg ein Ferienchalet gebaut. Der diplomierte Baumeister ist in der Nähe des Zürcher Hallensta­dions bei den Fussballplätzen aufgewachsen und verbrachte jede freie Minute auf dem Rasen. Er kannte früh alle Regeln und Raffinessen des Kickens – Tonleitern waren ihm fremd, Musikunterricht lehnte er ab und Flötenspiel fand er blöd. Umso erstaunlicher, dass er als Familienvater in der Berglandschaft den Zauber der Naturtonreihe entdeckte. Jeweils abends übte ein Nachbar in Oberiberg auf seinem Horn, und Karl Furrer konnte sich beim ­Zuhören von den körperlichen Anstrengungen erstaunlich schnell ­erholen. So erging es ihm auch, als er später sein eigenes Alphorn schulterte und im Wald zum Üben verschwand. Er leitete damals die Hochbauabteilung einer grossen Bauunternehmung, Elfstundentage gehörten zum Alltag. Sein erstes Horn, einem Alphirt abgekauft, war hübsches Handwerk, zum Spielen jedoch ungeeignet.

Mit Familienanschluss

Dieses «Hörnchen» steht immer noch daheim im Büro als Erinnerung an seinen Vorsatz, für sich einen Musiklehrer zu finden. Längst ist Karl Furrer pensioniert, die zwei Töchter erwachsen, drei Enkel sind der Sonnenschein der Familie. Letztes Jahr ist er mit seiner Frau Ursula nach Ascona gefahren – ohne Alphorn. Sie seien seit 55 Jahren glücklich verheiratet. Es ist eine «Ménage à trois» mit dem Instrument – seine Frau versteht, wie wichtig das Alphorn für ihren Mann im Laufe der Jahre geworden ist. Im Hobbyraum der Eigentumswohnung in Zürich-Affoltern ist fein säuberlich geordnet, was ein aktiver Spieler braucht: Noten, Mundstücke, Metronom und so weiter. Die Tonart eines Alphorns hängt von der Länge ab. In der Schweiz ist das Fis/Ges tonangebend mit 3,5 Meter Länge. Die einfache Bauweise macht das Spielen anspruchsvoll. Alle anderen Blasinstrumente haben sich weiterentwickelt, etwa mit Grifflöchern oder Ventilen; nur das Alphorn ist ursprünglich geblieben. Am Herzen liegt Karl Furrer der Nachwuchs, damit die Tradition nicht ausstirbt, unterrichtet er junge Menschen.

Der schwarze Mutz

«Jeans, Turnschuhe, sogenannte Warenhaus- oder Kioskblusen, ­andere Fantasiebekleidungen und Frauen in Hosen werden durch Disqualifikation geahndet», so lautet das Regulativ für die Tracht des ­Eidgenössischen Jodlerverbands. Im Kleiderschrank von Karl Furrer hängt eine schöne Auswahl an Trachten. Besonders gerne hat er seinen mit Edelweiss und Alpenrosen bestickten schwarzen Mutz aus glattem Samt. Dazu den schwarzen Jodlerhut aus leichtem Filz. Von jedem Fest wird eine Plakette daran geheftet: Je mehr Abzeichen, desto erfahrener, desto gewichtiger sitzt der Hut auf dem Kopf. Mit seinem Auftreten wird Karl Furrer zum Botschafter dieses alpinen Kulturgutes.

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