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«Opfer des eigenen Erfolgs»

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 17. August 2023

Reto Schweizer – Lehrer, ­Familienvater, Zumiker – ist neu Präsident des Vereins Freizeitzentrum (FZZ). Im Interview unterstreicht er die Vielseitigkeit des Angebots, die Bedeutung für die Integration und die Rolle der Gemeinde.

Reto Schweizer, der neue Präsident des Vereins Freizeitzentrum, möchte in Zumikon «fast alles für alle» anbieten. (Bild: bms)
Reto Schweizer, der neue Präsident des Vereins Freizeitzentrum, möchte in Zumikon «fast alles für alle» anbieten. (Bild: bms)

Wie sind Sie zum FZZ gekommen?

Durch die Holzi. Holzhandwerk ist ein Hobby, das mich seit meiner Kindheit begleitet. Als ich 2009 nach Zumikon und direkt neben die Holzi gezogen bin, hat es nicht lange gedauert, bis ich die imposanten Räumlichkeiten entdeckt habe. Seit diesem Moment war ich vom FZZ angetan.

Nutzt auch Ihre Familie die Angebote?

Ja, auf vielfältige Weise. Erste Bekanntschaften haben im Muki-Treff, heute Elki-Treff, stattgefunden. Dann besuchten meine Töchter verschiedene Kurse und das Dakaduwama. Sophie hat sich dort dieses Jahr auch schon als Leiterin engagiert. Der Kontakt zur Jugendarbeiterin Line Kacprzak ist ihr sehr wichtig. Anna ist zudem häufig in der Holzi anzutreffen. Hin und wieder gönnen wir uns auch ein feines Mittagessen im Café Fischvogel.

Sie sind neu Präsident des Vereins. Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen? Wo sehen Sie am ehesten Handlungsbedarf? Wo setzen Sie auf Kontinuität?

Das FZZ ist enorm wichtig für die Integration neuer Zumikerinnen und Zumiker aller Schichten und Generationen. Es bietet unzählige Möglichkeiten, sich zu engagieren, sich zu vernetzen oder auch einfach von den Angeboten zu profitieren. Viele Menschen finden im Angebot des FZZ in irgendeiner Form einen Ausgleich zum stressigen Alltag. Wir möchten den Betrieb auch für die Zukunft sichern. Dafür sind wir auf finanzielle Unterstützung der Kirchgemeinden und der politischen Gemeinde angewiesen. Wir arbeiten daran, die Finanzierung und somit den Erhalt des breiten Angebots zu gewährleisten. Meine Person oder meine Rolle als Präsident ist da nicht so relevant. Der Vorstand ist ein Team und wir legen die strategischen Ziele gemeinsam fest. Es wird keine Ära Schweizer geben.

Das FZZ ist als Verein gegründet worden und ist es immer noch. Kann eine so grosse Einrichtung ehrenamtlich geführt werden?

Ich staune selbst immer wieder über die lange Zeit, die das FZZ schon erlebt und überlebt hat – bald 45 Jahre! Und über das Engagement und die Kompetenz, die im Vorstand seit Jahren besteht. Jedes ­Mitglied des Vorstands bringt sich nach ­seinen Möglichkeiten ein. Diese sind enorm. Wir haben und hatten Finanz- und HR-Fachleute, Kommunikationsspezialistinnen, Juristen, Lehrpersonen und viele andere ­Berufsleute, die ihr Knowhow dem Verein ehrenamtlich zur Verfügung stellen. Zusammen mit der professionellen Zentrumsleitung und dank des engagierten und ebenso professionellen Teams lässt sich diese Einrichtung bestens führen.

Das enorme Angebot kann nur durch eine Defizitgarantie seitens der Gemeinde gestemmt werden. In den letzten Jahren bedeutete das: sparen. Besteht die Gefahr des ­Kaputtsparens?

Es ist tatsächlich so, dass wir ein bisschen Opfer unseres eigenen Erfolgs geworden sind. Die Nachfrage nach Räumen, die wir vermieten, oder auch nach Kursangeboten steigen kontinuierlich. Die Galerie Milchhütte hat durch die professionelle Kuratierung grosses Renommée erlangt, was seinerseits wieder mehr Aufwand generiert. Die Personalkosten sind über die Jahre gestiegen und mit der aktuellen starken Teuerung sind wir an einem Punkt angelangt, an dem das seit 2015 unveränderte Budget für den Betrieb nicht mehr ausreicht. Wir können während des heissen Sommers nicht einmal mehr einen neuen Sonnenschirm kaufen, da wir nicht wissen, ob das Geld am Ende des Jahres dann noch reicht. Deshalb sind wir daran, mit der Gemeinde und den Kirchgemeinden die Finanzierung für die neue Budget­periode zu planen und gemeinsam Lösungen zu finden, damit in Zukunft ein gesunder Betrieb wieder möglich ist.

Die Gemeinde hat den Auftrag der Jugendarbeit an das FZZ delegiert. Wie sieht diese Jugendarbeit konkret aus?

Die Jugendarbeit hat sich in den letzten Jahren stark verändert. In Zumikon setzen wir statt auf Unterhaltung auf Partizipation und statt eines klassischen Jugendhauses zum Abhängen bieten wir den ­Jugendlichen Räumlichkeiten und Begleitung, um eigene Projekte zu realisieren. Daraus entstanden sind verschiedene Mädchen- und Bubentreffs. In der Primar- und Sekundarschule führen Line Kacprzak und Yanik Spira zudem regelmässig Workshops durch, etwa zu Sexualpädagogik oder Selbstbehauptung.

Die umfangreiche Renovierung des Gemeinschaftszentrums betrifft auch das FZZ – vor allem die Holzwerkstatt, aber auch den Discoraum. Gibt es schon Ausweichpläne?

Im Zusammenhang mit diesem grossen Umbau gibt es noch viele Unbekannte. Insbesondere wissen wir noch nicht genau, in welchem Zeitraum die Räumlichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Mit der Liegenschaftsabteilung sind wir daran, Lösungen zu suchen; wir haben auch selbst einige Ideen im Köcher, wie wir die Zeit überbrücken können. Auf jeden Fall freuen wir uns jetzt schon auf die Zeit nach dem Umbau. Dann können wir die aus allen Nähten platzenden Werkstätten endlich zusammenführen, optimieren und im gleichen Schritt auch modernisieren.

Ein Aushängeschild des FZZ ist das Café Fischvogel. Was ist das Besondere?

In welchem anderen Restaurant haben wir schon die Möglichkeit, jeden Tag eine authentische exotische Küche zu geniessen – aber jeden Tag aus einer anderen Kultur? Das gibt es nur im Café Fischvogel – dem grössten Freiwilligenprojekt in Zumikon. Über 7000 Arbeitsstunden jährlich werden von den fünf Teams geleistet – immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. Und letztlich ist das Café Fischvogel auch ein wichtiges Bindeglied zwischen Einheimischen und Zuge­zogenen aus anderen Kulturen. Ein internationales und interkulturelles Herzensprojekt, das aber auch eine intensive Begleitung unserer Mitarbeitenden erfordert.

Die Integration von Flüchtlingen ist allerorten gefragt. Könnte sich das FZZ auch dabei engagieren?

Das FZZ engagiert sich bereits stark in der Integration – sowohl von ­Geflüchteten als auch anderen Zugezogenen. Für die Flüchtlinge aus der Ukraine haben wir unkompliziert mit zusätzlichen Öffnungszeiten in der Keramikwerkstatt oder interner Unterstützung in der Holzwerkstatt reagiert. Das hat im Wesentlichen dazu beigetragen, dass diese Menschen ihren Platz im Dorf gefunden haben. Auch das Café International ist ein ganz auf die Integration ausgerichtetes Projekt, das heuer sein zehnjähriges Bestehen feiert.

Vielen Zumikern ist gar nicht bewusst, dass hinter den zahlreichen Angeboten das Freizeitzentrum steht. Wäre da mehr Marketing notwendig, oder ist das gewollt?

Wir betreiben kein gezieltes Marketing. Wir sind ja nicht privatwirtschaftlich organisiert. Wir haben einen Auftrag der Gemeinde, welcher in einer Leistungsverein­barung definiert ist. Darauf baut unser Angebot auf und wir tun unser Bestes, der Zumiker Bevölkerung ein sinnvolles und anregendes Freizeitangebot zu bieten. «Fast alles für alle», wie unser Leitspruch heisst. Natürlich freut es uns, wenn die Leute wahrnehmen, dass hinter den Angeboten das Freizeitzentrum steht, und wir freuen uns ­besonders, wenn wir an unseren Anlässen Mitglieder gewinnen können. Auf diese sind wir als Verein angewiesen, insbesondere, wenn im Herbst 2024 die Weichen für die nächste Budgetperiode gestellt werden. Dann haben wir gemeinsam die Möglichkeit, das nächste Kapitel in der einzigartigen Erfolgsgeschichte zu schreiben.

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