Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 7. September 2023
Der Lebenslauf von Harriet Steinemann liest sich zunächst extrem gradlinig. Die gebürtige Deutsche studierte nach der Matura in Konstanz Jus und BWL, wechselte dann beruflich in die Schweiz und hatte mit 33 Jahren eine Kaderstelle. Sie hatte Spass in ihrem beruflichen Alltag und lernte ihren späteren Mann kennen. Schnell kam die Frage nach der Familie auf. Sie bekam mit 38 Jahren ihren ersten Sohn und arbeitete noch halbtags.
Als sie vier Jahre später ihren zweiten Sohn bekam, widmete sie sich ganz der Familie. «Ich war Mutter, Hausfrau, Köchin, Gärtnerin und Ehefrau. Für eine bezahlte Arbeit hätte ich gar keine Zeit gehabt», sagt sie lachend. Sie betont aber auch, dass sie gerne zu Hause geblieben sei. Sie habe für die Kinder da sein und an deren Leben teilnehmen wollen. Natürlich wurde die Zumikerin auch mit der Frage konfrontiert, warum sie denn – mit ihrer Ausbildung – zu Hause bleibe.
Harriet Steinemann kümmerte sich gerne um die Söhne. Doch diese sind mittlerweile gross. Der ältere studiert bereits, der jüngere ist im vorletzten Jahr am Gymnasium. Die Zumikerin hatte schon zuvor begonnen, sich mit Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) zu beschäftigen, mit der Ernährung nach den fünf Elementen sowie dem Zusammenhang von Körper, Geist und Seele unter dem Aspekt der Gesundheit. Bei der Ernährungslehre stehen alle Elemente – Feuer, Wasser, Holz, Luft, Metall – für verschiedene Prozesse und Lebensmittel. Bei der Entdeckung dieses Feldes half Harriet Steinemann auch ihre nie versiegende Neugier. «Ich wollte schon immer allem auf den Grund gehen und es verstehen», erinnert sie sich.
Als dann die Zeit der Pandemie kam und der Begriff «mentale Gesundheit» immer häufiger Teil des öffentlichen Diskurses war, wurde ihre Neugierde erneut entfacht. «Ich habe damals extrem viel darüber gelesen und gespürt, dass ich in dem Bereich arbeiten und andere Menschen unterstützen möchte», erzählt sie. Während eines Jahres liess sie sich zu einem zertifizierten Coach ausbilden. «Ich habe kurz darüber nachgedacht, Psychologie zu studieren. Doch wie alt wäre ich dann, wenn ich fertig bin?» Während ihrer Ausbildung ist sie auch selber laufend gecoacht worden. «Ich habe viel über mich gelernt, über Verhaltensmuster und auch, warum ich so gerne Kampfsport gemacht habe», sagt sie und lacht.
In ihrer Tätigkeit sieht Harriet Steinemann sich als Spiegel und als Resonanzboden. Sie hat keine Antworten, sondern die richtigen Fragen. «Jeder Mensch hat Phasen in seinem Leben, in denen er merkt, dass etwas nicht ganz rund läuft.» Unaufgearbeitetes bahne sich seinen Weg an die Oberfläche und plage in Form von körperlichen Beschwerden, Stressempfinden oder Gereiztheit. Dann sollte man innehalten, den Ist-Zustand prüfen, Ballast abwerfen und vielleicht die Weichen neu stellen.
Für Harriet Steinemann war der Moment die Frage nach der Zukunft. Womit wollte sie die nächsten 20, vielleicht 25 Jahre sinnvoll leben? Die Frage nach dem Sinn sei für jeden wichtig und könne daher auch nur subjektiv beantwortet werden. Das gelte ebenso für den Selbstwert und die Selbstliebe – die nichts mit Narzissmus zu tun hat. Ein Thema, das ebenfalls durch die langandauernde Epidemie aufkam, war die Einsamkeit. Durch das Homeoffice, das Homeschooling, durch geschlossene Restaurants, Kinos, Konzertsäle seien viele auf sich selber zurückgeworfen worden und der Schritt vom Alleinsein zur Einsamkeit ist klein. Durch entsprechende Begleitung könne der Weg zu mehr Lebensfreude leichter und schneller bewältigt werden. Auch das könnte ein Thema für Harriet Steinemann sein.
Grundsätzlich befasst sie sich mit Fragen zwischenmenschlicher Beziehungen, mit der Bedeutung von körperlicher Gesundheit und von positiven Emotionen.
Ebenso richtet Harriet Steinemann ihr Angebot an Berufsgruppen, die täglich mit traurigen Realitäten konfrontiert werden, etwa Ärztinnen und Pfleger: «Für eine seelische Reinigung und Heilung können professionell geleitete Gespräche sehr hilfreich sein.» Dabei verteile sie aber keine Ratschläge. «Niemals ungefragt», betont sie. Oft sei es ja so, dass man mit einem Thema, das einen umtreibt, zu Freunden oder zur Familie ginge. Nicht selten gebe es dann gute Tipps – manchmal auch im Imperativ. Das sei nicht ihr Weg, auf dem ihr auch ihre Hochsensibilität helfe. Als sie, erst spät, davon erfuhr, sei sie einfach nur erleichtert gewesen: «Plötzlich hatte ich ein Wort für mein Verhalten. Ich hatte mich vorher oft unsicher gefühlt. Mittlerweile kann ich es als Gabe sehen.» Ihre Sensibilität für Emotionen, Eindrücke und Empathie möchte Harriet Steinemann nutzen, um anderen auf deren Weg zu unterstützen und im richtigen Moment die richtige Frage zu stellen: «Die Antworten und die Lösung kommen immer vom Gegenüber.»
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