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Vom Mähen und Magnesium

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 28. September 2023

Giulia Beatrice macht die Aus­bildung zur Fachfrau Betriebsunterhalt im Zumiker Werkhof. Angst vor grossen Maschinen hat sie nicht – aber Respekt.

Draussen sein – das stand für Giulia Beatrice ganz oben auf der Wunschliste für ihren Beruf. (Bild: bms)
Draussen sein – das stand für Giulia Beatrice ganz oben auf der Wunschliste für ihren Beruf. (Bild: bms)

In diesem Sommer erst hat Giulia Beatrice ihre Lehre angefangen. Doch die Liste ihrer bisherigen Tätigkeiten ist schon ­beträchtlich: Sie hat geholfen, Schlaglöcher zu flicken, einen Schachtring zu ersetzen, Wasserpumpen zu überprüfen, Brunnen und Feuerstellen zu putzen. Die 15-Jährige hat Rasen gemäht, sie hat Graffitis und Aufkleber entfernt und war dabei, als Tierkadaver zum Tierkrematorium gebracht wurden. Mit ihrer Ausbildung zur Fachfrau Betriebsunterhalt im Werkhof ist die junge Zumikerin einfach nur happy.

«Schon nach dem ersten Schnuppertag war sie völlig euphorisch», erzählt die Mama. Das ist nicht immer so gewesen. Dreimal hat das Mädchen auch in Kinderkrippen geschnuppert, um festzustellen, dass das gar nicht ihre Welt ist. Für viele laute Kinder in geschlossenen Räumen konnte sie sich nicht begeistern. Dass sie keine kaufmännische Ausbildung machen wollte, stand von Anfang an fest. Für eine Tätigkeit im Büro hat sie viel zu viel Energie und Bewegungsdrang. Als sie noch ganz jung war, stand «irgendwas mit Tieren» ganz oben auf der Liste der Traumberufe. Tierärztin vielleicht oder auch im Zoo.

Überrascht über das Interesse

Über eine Lehrstellenplattform wurde sie auf den Ausbildungsweg für den Betriebsunterhalt aufmerksam und interessierte sich sofort. Beim Zumiker Werkhof war man überrascht, noch nie hatte sich ein Mädchen beworben, aber schliesslich bekam sie die Zusage. «Ich war eine der Allerersten in meiner Klasse, die einen Lehrvertrag hatte», erinnert sie sich. Anerkennung von den Kollegen gab es nicht. Im Gegenteil. Sie musste sich anhören, dass sie für andere putzen müsse. Doch das liess sie cool an sich abperlen. «Ich habe mir nur immer gesagt, dass die keine Ahnung haben, was alles zum Berufsbild gehört. Ausserdem: Ich hatte immerhin schon eine Lehrstelle.»

Angst vor den grossen Maschinen hat sie nicht. Aber Respekt. «Manchmal reicht ja schon ein kleiner Fehler, und der Schaden ist enorm. Man muss sich nicht nur konzentrieren, sondern auch vorausschauen.» So könnte ja schon ein Stein, der vom Laubbläser aufgewirbelt wird, gefährlich werden. Noch ist es warm, wenn Giulia um sieben Uhr ihren Dienst antritt, und es ist schon hell. Das wird sich bald ändern. «Klar, es wird kalt im Winter. Dann ziehe ich eben einen dicken Pulli mehr an», zuckt sie mit den Schultern. Die Ausrüstung mit leuchtender Hose und Jacke und den dicken Schuhen hat sie gestellt bekommen. «Die Schuhe putzen, muss ich aber selber», lacht sie. ­Gegen halb sechs kommt sie am Abend nach Hause. «Feierabend ist eigentlich um fünf. Aber manchmal sitzen wir noch ein bisschen im Team zusammen.»

Am Anfang ist es überall komisch

Das Team – das sind nur Männer. «Natürlich war es am Anfang etwas komisch. Aber es ist ja immer komisch, wenn man irgendwo neu ist», erklärt sie. Es sei ganz schnell gegangen, und sie habe sich wohl gefühlt. «Ich werde absolut akzeptiert und respektiert. Ausserdem wird mir alles ganz genau erklärt, damit ich auch die Zusammenhänge verstehen kann.» Ihr sei zuvor gar nicht bewusst gewesen, wie vielfältig die Aufgaben des Betriebsunterhaltes seien.

Auch in der Berufsschule, die sie einmal in der Woche in Wetzikon besucht, ist sie in einer männlichen Welt – nur eine Mitschülerin hat sie in der Klasse. «Am ersten Schultag gab es noch komische Blicke, am zweiten schon nicht mehr», erzählt Giulia. Neben der Arbeit und der Schule bleibt nicht mehr viel Zeit für Hobbys. Auch weil sie parallel noch den Führerschein für eine Vespa machen möchte. Den Nothelfer-Kurs hat sie bereits absolviert. Für den Führerschein wird auch schon gespart. Und weil Giulia ­Beatrice kein Mädchen ist, das viel Geld für neue Klamotten, Schmuck, Taschen oder Make-up ausgibt, ist das nicht wenig. Auch der Ausgang ist eher günstig: «Wir treffen uns im Dorf und quatschen einfach. ­Dafür muss ich nicht nach Zürich fahren.»

Und manchmal muss sie sich auch einfach nur erholen. So wie in der vergangenen Woche. Da musste sie mähen, mähen, mähen. Das Ergebnis: ein strammer Muskelkater – und ganz viel Magnesium von Mama.

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