150 Jahre Schule Zollikon: Keine Pressluft

Von Adrian Michael ‒ 29. September 2023

Im Winter 1970/71 wurde das grosse alte Sekundarschulhaus mit Baujahr 1900 auf dem Buchholzhügel dem Erdboden gleichgemacht. Das Gebäude war verschwunden – zum Leid der Einen, zur Freude der Anderen. Was aber blieb, waren Erinnerungen; an fröhliche und wohl auch weniger fröhliche Stunden, die zahlreiche Jugendliche in diesem «Schulpalast in stolzer Höhe» verbracht hatten. Mehrere ehemalige Schülerinnen und Schüler haben ein paar dieser Erinnerungen mit uns geteilt, und wir geben ihre Geschichten in den kommenden Ausgaben mit Freude wieder weiter.

Das im Jahr 1900 erbaute Sekundarschulhaus war 70 Jahre lang Stätte für viele Begegnungen. (Bild: zvg)
Das im Jahr 1900 erbaute Sekundarschulhaus war 70 Jahre lang Stätte für viele Begegnungen. (Bild: zvg)

Es war eines Morgens ums Jahr 1956. Wir Schüler warteten im Zollikerberg wie üblich auf den Bus. Vom Chefchauffeur wurden wir mit den Worten empfangen: «Einer von euch ist es gewesen. Er soll sich ­sofort melden. Wenn nicht, müsst ihr laufen.» Wir schauten uns an, wussten nicht, wovon er sprach. Ohne weitere Erklärungen schloss der Chef die Türe und fuhr ohne uns los. Wir machten uns auf den Weg ins Dorf.

Auf der Höhe des Restaurants «Pergola», heute «Alte Laterne», sahen wir, dass bei der Waldburg eine ganze Meute Schüler stand. Was hatte das zu bedeuten? Unsere Kolleginnen und Kollegen eröffneten uns, sie seien aus Solidarität ebenfalls ausgestiegen und würden gemeinsam mit uns hinunter in die Schule wandern.

Vor dem Schulhaus geboten die vordersten Schüler Halt und forderten die Mitschüler auf, die Landeshymne «Rufst du mein Vaterland» anzustimmen und diese lauthals abzusingen. Singend marschierten wir ins Schulhaus. Der Gesang hatte seine Wirkung: Wie auf Knopfdruck gingen auf den drei Stockwerken die Zimmertüren auf und die Lehrer schimpften alle gleichzeitig auf uns ein. Völlig ausser sich drehte sich Hans Zehnder auf der ersten Etage um und rief dem Kollegen Hermann Hotz im oberen Stock zu: «Sei doch mal ruhig, jetzt schimpfe ich!» Dann rief er uns zu: «Wer sind die Anführer? Die geben sofort die Abos ab. Sie können für eine Weile laufen.»

Wir reagierten gelassen. «Seid ihr einverstanden, dass wir alle die Abonnemente abgeben?», fragte ­einer. Dann stiegen wir durch das Treppenhaus hinauf und übergaben die Abos den Lehrern.

Wenig später erfuhren wir den Grund der Aufregung. Die Bustüren funktionierten mit Druckluft, die durch eine Pumpe im Motor erzeugt wurde. Über der Bustür gab es ­einen kleinen Hahn, um im Notfall die Luft entweichen zu lassen und dadurch die Türe öffnen zu können. Diesen Hahn betätigten einzelne Schüler ab und zu. An jenem Vortag hatte offenbar wieder einmal einer mit dem Hahn gespielt, und in der Endstation Rosengarten blieb die Türe offen, weil die Druckluft zum Schliessen fehlte. Der Chauffeur ging bei laufendem Motor nach hinten, um den Fehler zu suchen und beugte sich in den Bus. In genau diesem Moment war wieder genügend Pressluft vorhanden. Die Türe klappte zu und dem Chauffeur wurde der Kopf eingeklemmt.

Martin Hübner


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