Eine Herzensangelegenheit

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 6. Oktober 2023

Der Dorfplatz: im Mittelpunkt der Gemeinde und im Mittelpunkt vieler Gespräche. Die enga­gierten Bürger Patrick Lüthy und Beat Hauri im Interview.

Wie weiter mit dem Dorfplatz in Zumikon? (Bild: bms)
Wie weiter mit dem Dorfplatz in Zumikon? (Bild: bms)

Sie sind alteingesessene Zumiker Bürger. Was bedeutet Ihnen der Dorfplatz?

Beat Hauri: Der Dorfplatz ist für mich eine Herzensangelegenheit. Er wird behördlicherseits verkannt. Es stimmt einfach nicht, dass er durch die vorgesehene Erneuerung wiederbelebt werden muss und kann. Wir Deutschschweizer haben keine Piazza-­Kultur. Auch nicht mit noch so grossem Aufwand, erst recht nicht mit einem «Pavillon», wird unser Dorfplatz zum belebten Zentrum, wie es ein Pendant im mediterranen Raum sein könnte. Aufhören muss allein das Schlechtreden des Dorfplatzkafis, welches ausgerechnet vom Verwaltungsratspräsidenten der Zentrumscafé Zumikon AG in Anspielung auf den bösen ­Zackenfisch im Kinderbuch «Regenbogenfisch» mit dem wenig freundlichen Titel «Zackenbarsch» bedacht, auf die Abschuss- bzw. Abbruchliste gesetzt worden ist. Der Gemeinderat übersieht, dass das Gemeinschaftszentrum und das Dorfplatzkafi mit dem für die Architektur des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts typischen Stil eine gestalterische Einheit darstellen, welche nicht durch einen beliebigen «Pavillon» auseinander­gerissen und für immer zerstört werden darf.

Patrick Lüthy: Seit 2012 wohne ich hier mit meiner Familie, nicht ganz alteingesessen also, aber dennoch identifiziere ich mich sehr mit ­Zumikon. Der Dorfplatz ist das Zentrum der Gemeinde. Hier trifft man sich auf einen Schwatz, besorgt die täglichen Kommissionen oder kleine Geschenke und freut sich über die fröhlichen Kindern, die auf dem Platz spielen. Meine beiden Kinder haben jahrelang gerne das Chinderhuus besucht. Meine Schwiegermutter betreibt seit über 42 Jahren das wohl älteste Geschäft auf dem Dorfplatz. Er ist auch die Visitenkarte der Gemeinde und Schauplatz für viele traditionelle Vereinsaktivitäten und Anlässe. Ich freue mich auf einen neu gestalteten Dorfplatz und stimme Ja zu den kommenden Vorlagen Erneuerung Dorfplatz (mit Abbruch Gebäude Dorfplatzkafi) und Sanierung Parkgarage.

Wie wichtig ist konstruktive Kritik?

Patrick Lüthy: Konstruktive, nicht diffamierende Kritik, unabhängig ob familiärer, beruflicher oder gesellschaftlicher Art, bedeutet mir viel, vereinfacht das Zusammenleben und bringt uns auch im vorliegenden Fall Dorfplatz weiter. Persönliche Vorbehalte gibt es immer und überall. In einer Demokratie sollte man als Person stark genug sein und akzeptieren, wenn eine gute gebildete und informierte Mehrheit anderer Meinung ist. Alternativ hat man ja auch immer die Möglichkeit, sich wählen zu lassen und für ein Amt zur Verfügung zu stellen.

Beat Hauri: Konstruktive Kritik ist bei den federführenden politischen Entscheidungsträgern in Zumikon nicht gefragt. Auf ein «nicht zielführend» oder einen Hinweis auf feuerpolizeiliche Bestimmungen bzw. Kostenfolgen beschränkt sich gewöhnlich deren Reaktion auf von ihren Zielvorgaben abweichende Vorschläge. Ich betrachte meine eher auf Erhaltung bedachte Kritik aber durchaus als konstruktiv.

Wofür würden Sie eine öffentliche Diskussion nutzen? Welche Ergebnisse könnte diese erreichen?

Patrick Lüthy: Öffentliche Diskussion, mit Fakten unterlegt – miteinander reden – ist unabdingbar für die Meinungsbildung und wichtig für das Weiterkommen der Gesellschaft. Sie fördern das Verständnis für andere Meinungen und ermöglichen das Miteinander. Ich schätze es, dass der Gemeinderat in Zumikon die öffentliche Diskussion immer wieder ermöglicht und anstösst. Viele Zumikerinnen und Zumiker stören sich am Fluglärm. Ich bin Aviatiker und habe mit dem Lärm überhaupt kein Problem. Trotzdem freue ich mich schon heute auf den Informationsanlass zum Thema Flughafen bzw. Fluglärm, der im Januar 2024 vom Gemeinderat organisiert wird. Vielleicht ändere ich ja nach dem Abend meine Meinung zum Thema…

Beat Hauri: Die öffentliche und über Internet-Stream verbreitete Diskussion mit Podiums- und Plenumsdiskussion zum letztlich 2021 klar verworfenen Gestaltungsplan «Chirchbüel» ist ein positives Beispiel einer solchen Veranstaltung. Anders als in der Orientierungs­versammlung zum Dorfplatz­projekt wurden die verschiedenen Standpunkte kontrovers diskutiert. In welche Richtung die Meinung schliesslich kippt, bleibt bis zur Abstimmung offen.

Sie äusserten die Befürchtung, das neue Restaurant stünde nicht mehr als Beiz für die Vereine zur Verfügung. Alle Vereine klagen über Mitgliederschwund. Wie lange muss es denn eine solche Beiz noch geben?

Beat Hauri: Erlauben Sie mir dazu die Gegenfrage: Wie lange benötigen wir noch ein Gemeinschaftszentrum unter Beteiligung der Kirchgemeinden? Indem wir Versammlungs- und Zentrums-Gastrolokalitäten in Frage stellen, halten wir den allseitigen Mitgliederschwund nicht auf, sondern beschleunigen ihn.

Gab es Ihrer Meinung nach ausreichend Gelegenheit für die Zumiker und Zumikerinnen, sich in den Prozess einzubringen?

Patrick Lüthy: In Zumikon wohnen nur 5600 Einwohnerinnen und Einwohner. Man kennt und grüsst sich, und das vor den Toren der grössten Schweizer Metropole. Viele Zumikerinnen und Zumiker engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen, wo ein reger Diskurs stattfindet. Die lokalen politischen Parteien sind sehr aktiv, organisieren öffentliche Events und laden regelmässig ein, sich politisch einzubringen. Der Gemeinderat wurde vom Souverän beauftragt, grosse und wichtige Projekte umzusetzen und weiss, diese müssen und können nur realisiert werden, wenn die Mehrheit deren Notwendigkeit erkennt, versteht und befürwortet. Daher versucht er alles, die Stimmberechtigten in die Prozesse miteinzubeziehen. Sei es an offiziellen Informationsanlässen, Besuchen von Vereinsanlässen, Gemeindeversammlungen, formell oder informell im direkten Gespräch.

Als Jurist zählten für Sie die Paragrafen. Gehen die Menschen dabei verloren?

Beat Hauri: Die Gesetze sind von Menschen für Menschen geschrieben, zum Glück (noch) nicht von KI! Die Menschen gehen erst verloren, wenn sie resignierend feststellen müssen, dass die Exekutive unter gütiger Duldung durch die jeweilige RPK ja doch macht, was sie will.
Als Unternehmer zählen für Sie Zahlen und Fakten. Sind nicht die Einwohnerinnen und Einwohner das, was einen lebendigen Dorfplatz ausmacht?

Patrick Lüthy: Ohne Menschen keine Unternehmen. Auch Unternehmen können weitere Einwohner und interessierte Menschen anziehen, damit der Dorfplatz nach der gelungenen und sanierungstechnisch nötigen Neugestaltung lebendiger wird. In der aktuellen Welt wächst das ­Bedürfnis, das «echte» Leben wieder vermehrt zu spüren. In Zumikon kennt man sich, hier gibt es wenig Anonymität. Der geplante neue ­Pavillon bietet den Vereinen viel Erleichterung, ihre geschätzte Arbeit wahrzunehmen. Dank seiner flexiblen Bau- und Einsatzsweise können Unternehmen, Zumiker und Zumikerinnen den Pavillon für ihre Projekte nützen und zusammen den Dorfplatz noch lebendiger machen.

Beat Hauri (l.) und Patrick Lüthy bedeutet der Dorfplatz viel – auf unterschiedliche Weise. (Bilder: zvg)
Beat Hauri (l.) und Patrick Lüthy bedeutet der Dorfplatz viel – auf unterschiedliche Weise. (Bilder: zvg)

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