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Liberal und selbstbewusst

Von Joël J. Meyer ‒ 12. Oktober 2023

Wie steht es um den Standort Schweiz und wie soll es weitergehen? Die SVP Zollikon lud diese Woche zur öffentlichen Podiumsdiskussion mit Ver­tretern aus Politik, Medien und Wirtschaft ein.

Die Gesprächsteilnehmer (v.l.) Reto Brennwald, Dominik Feusi, Gregor Rutz und Martin Janssen. (Bild: Lara Grüter, Slapshoot-Photocompany)
Die Gesprächsteilnehmer (v.l.) Reto Brennwald, Dominik Feusi, Gregor Rutz und Martin Janssen. (Bild: Lara Grüter, Slapshoot-Photocompany)

Am Montagabend begrüsste Stephan Geiger, Präsident der SVP Zollikon, ein zahlreiches Publikum im Zolliker Gemeindesaal zur Podiumsdiskussion «Standort Schweiz – wie weiter?» mit Gregor Rutz, National- und Ständeratskandidat, Martin Janssen, emeritierter Professor für Finanzökonomie, und Dominik Feusi, stellvertretender Chefredaktor des Nebelspalters. Alt-Bundesrat Ueli Maurer konnte wegen der Folgen eines Unfalls nicht teilnehmen. Es moderierte der Zolliker Journalist und Filmemacher Reto Brennwald.

Massvolle Gesetzgebung

Das Thema Überregulierung war der Einstieg in die Diskussion. Um sich als Land in einer zunehmend komplexen Weltwirtschaft aufzustellen, scheint das Schaffen zusätzlicher Gesetze, Verordnungen und Verträge unumgänglich, so die erste These. Alle Teilnehmer widersprachen. Gregor Rutz warnte vor mehr Massnahmen. Jedes zusätzliche Gesetz bedinge mehr Verwaltung, was letztendlich Kosten verursache. Zu beachten sei, dass die Hälfte aller Regulierungen aus dem Ausland stammt. Die Schweiz profitiere von diesen Verträgen, aber die Bürokratie dürfe nicht ausufern. Es soll der Grundsatz gelten, dass es den Staat in der Wirtschaft nicht brauche. Dominik Feusi ergänzte, dass die in der Schweiz eingeführte Regulierungsbremse nicht funktioniere, sie würde nicht konsequent umgesetzt. Zudem bedeute mehr Regulierung auch immer eine Zentralisierung der Macht, was nicht zum Schweizer System passe, dessen Stärke just der föderalistische Geist sei. Martin Janssen fasste zusammen: «Die Freiheit muss immer im Vordergrund stehen.»

Ob nicht gerade der Fall der Credit Suisse aufgezeigt habe, dass es mehr Regulierung braucht? Auch hier einhelliges Verneinen. Martin Janssen kontert, es sei unangebracht, immer alles schützen zu wollen. Jede Bank könne untergehen, auch eine gut geführte, dafür gebe es viele Gründe. Banken würden sich heute in unzumutbarem Mass damit beschäftigen, allen Vorgaben zu genügen, was nicht zielführend sei. Für Dominik Feusi dürfte im Umkehrschluss eine Deregulierung mehr Stabilität bieten: Seien mehr Risiken vorhanden, würden Banken vorsichtiger agieren. Für Gregor Rutz ist es unverständlich, dass misswirtschaftende Unternehmen mit Steuergeldern gerettet werden. Und dass mit dem Einsatz des bundesrätlichen Notrechts das Parlament beliebig übergangen werden könne, sei nicht in Ordnung. Die Schweiz müsse aus dem Fall Credit Suisse die richtigen Lehren ziehen, wie auch aus den Corona-Massnahmen. Noch gebe es keine überzeugenden Lösungen, doch der Hang zum Regulieren sei nicht sinnvoll.

EU-Verträge und Zuwanderung

Bei allen internationalen Verträgen und Verhandlungen ist die Schweiz dem internationalen Druck ausgesetzt. Wie damit umzugehen ist, ist für Gregor Rutz glasklar: «Wir müssen selbstbewusster auftreten!» Die Aussenpolitik sei eine Frage der ­Interessenvertretung, nicht ein Ort für Gefälligkeiten. Die Schweiz habe sich für die Bilateralen EU-Verträge entschieden, weil sie sich nicht institutionell an die Union binden wollte. Es gehe darum, Verträge zu machen, «bei denen man weiss, was man hat». Und wenn nötig müsse neu verhandelt werden – immer wieder. Alles andere wäre kein ebenbürtiges Teilhaben an der internationalen Gemeinschaft, sondern Unterwerfung. Dominik Feusi warf ein, dass es das Ende der erfolgreichen Schweiz wäre, würde sie sich allen EU-Regulierungen fügen. Dabei relativierte er die Angst um das Rahmenabkommen. Die Schweiz sei weltweit stark aufgestellt und nicht hauptsächlich auf den EU-Binnenmarkt angewiesen.

Was in diesem Zusammenhang die Zuwanderung betrifft, war die Diskussionsrunde differenzierter Ansicht. Martin Janssen nannte das aktuelle Freizügigkeitsabkommen mit der EU eine sozialistische ­Umverteilung und keineswegs liberal. Gregor Rutz bestand auf der Wichtigkeit der Zuwanderung, auf welche die Schweiz schon immer angewiesen war – jedoch im kon­trollierten Rahmen. Die Schweiz habe Obergrenzen bei der Infrastruktur, im Sozialwesen und im Gesundheitssystem. Zuwanderer profitieren davon, was auf Dauer nur funktionieren könne, wenn sie auch ihre Beiträge leisten. Zudem bedeute mehr Zuwanderung wiederum mehr Regulierung, folglich weniger individuelle Freiheit. Laut Gregor Rutz ist die aktuell unkontrollierte Zuwanderung nicht liberal; denn liberal würde bedeuten, die Schweizer Wirtschaft könne aktiv diejenigen Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren, die effektiv benötigt werden. Dominik Feusi führte an, dass es einfacher sei, ­einen Arbeitslosen EU-Bürger in die Schweiz zu bringen als einen Fachspezialisten aus Asien aufzunehmen. «Ich bin für eine welt­offene, nicht europhile Schweiz.»

Asylwesen und Klima

Auch das Asylwesen müsse neu ausgerichtet werden, fand Gregor Rutz, da es auf veralteten Umständen basiere. Bei Katastrophen und Krieg seien Menschen früher in Nachbarländer geflüchtet, um baldmöglichst wieder in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Heutige Migrationsströme verliefen über sehr lange Strecken, was auf andere Migrationsgründe deute. Überhaupt sei das System überfordert: 2022 wurden in der Schweiz 52 000 illegale Zuwanderer aufgegriffen. Tatsächlich machten sie sich strafbar, Konsequenzen blieben aber aus, denn das Gesetz sei bei diesen Zahlen schlichtweg nicht mehr zu handhaben. Dominik Feusi ergänzte, es gebe vielerlei Abkommen, die effektiv wirkungsfrei seien. Beispielsweise funktionieren Rückschiebungen nach Algerien oder Eritrea nicht, weil diese Länder nicht kooperieren. Gregor Rutz meinte, dass es vor allem wichtig sei, die Migrationsströme gleich am Anfang zu unterbrechen, indem vor Ort Perspektiven geboten werden. Ob das nicht illusorisch sei? Martin Janssen entgegnete, lokale Investitionen und ein offener Markt seien die beste Lösung.

Eine absolute Illusion ist laut ­Martin Janssen hingegen der vom CO2-Austoss herbeigeführte Klimawandel. Zwar ist ihm die Umwelt wichtig, sagte er, doch gebe es keine Belege für diesen Zusammenhang. Gregor Rutz meinte, diesbezüglich kein Sachverständiger zu sein, plädierte jedoch eindringlich für eine pragmatische Auseinandersetzung. Das Klima habe sich schon immer verändert und sei, bei allen daraus folgenden wirtschaftlichen Verlagerungen und Volksverschiebungen, stets eine Herausforderung. Dafür brauche es nicht ideologisch fixierte, sondern wirtschaftlich orientierte Lösungen. Technologische Fortschritte wie Elektroautos seien wünschenswert, doch müssen sie vom Markt getragen werden, es dürfe keine Planwirtschaft entstehen.

Keine Faust im Sack

Es waren viele weitere Themen im Gespräch – und die anschliessenden Publikumsfragen führten zu angeregten Diskussionen. Dominik Feusi appellierte an die Anwesenden, wenn immer möglich politisch aktiv zu werden, die demokratischen Mittel und die Medien zu nutzen und niemals die Faust im Sack zu machen. Genau das sei die Stärke des Schweizer Systems.

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