Von Franca Siegfried ‒ 26. Oktober 2023
Der Chramschopf an der Binzstrasse benötigt an seinen samstäglichen Öffnungstagen zwei Mann von der Securitas zur Einweisung der Autos, damit kein Chaos entsteht. Es ist offensichtlich, dass sich bei der regionalen Bevölkerung vieles stapelt. Sich von Sachen zu trennen, fällt auch in einer Überflussgesellschaft nicht immer leicht. Oft geschieht es wegen Platzmangel, zumal in der Nähe erste «Tinyhomes» gebaut werden. Und mit der demografischen Entwicklung werden vermehrt Haushalte aufgelöst bei einem Umzug in die Alterswohnung oder Todesfall. Insgesamt acht Abteilungen sind im Chramschopf untergebracht. Haushalt, Kleider und Möbel bringen den besten Umsatz obwohl die Preise bescheiden sind. Rosemarie Zambelli sitzt in der Kleiderabteilung an einem kleinen Pult aus Ahorn, hinter ihr ansehnlich drapierte Frauen- und Männerhüte. «Ich bin im 23. Jahr und lasse mich an der nächsten Generalversammlung im Juni 2024 nicht mehr wählen», sagt die Präsidentin. In ihrer Stimme schwingt kein Bedauern, das Loslassen scheint ihr ein logischer Schritt. Trotzdem macht sie sich Sorgen, wie es mit dem Chramschopf weitergeht. Zu diesem Thema werden sich rund 20 Interessierte Anfang November an einen Tisch setzen, Projektgruppen bilden und über eine neue Infrastruktur, den Ablauf der Geschäfte, eine effizientere Organisation und Professionalisierung nachdenken. «Ich werde mich nicht beteiligen, mit mir wollen auch fünf von elf aus dem Vorstand austreten», sagt Rosemarie Zambelli. «Es ist Zeit für einen Generationenwechsel mit einem radikalen Neuanfang.»
Rosemarie Zambelli erzählt vom Jahr 2019 mit rekordverdächtigem Umsatz. So reibungslos gingen die Geschäfte, dass sie nicht realisierte, wie lange sie schon mitwirkte. Nach der Pandemie zeichnet sich jedoch die nötige Umstrukturie ung ab. «Wir sind Arbeitgeber, ein KMU und bezahlen Löhne für Buchhaltung, Sekretariat, Hauswart, Putzpersonal und Securitas.» Nur der Vorstand und alle 140 aktiven Mitglieder haben sich zur Gratisarbeit verpflichtet. «Pro Samstag müssen 35 Leute im Einsatz sein.» Wer kann und will diesen Zeitaufwand noch leisten? Das fragt sich die Präsidentin. Soeben hat sie ein Pflichtenheft für ihre Position verfasst. Das angestrebte Ziel, 170 000 Franken Einnahmen pro Jahr, ist schwierig zu erwirtschaften mit den niedrigen Preisen. Defizite werden dem Vermögen des Vereins belastet – noch ist die Kasse voll. «In den 1980er- und 90er-Jahren bezahlten Banken hohe Zinsen», berichtet Rosemarie Zambelli. «Man gab kein Geld aus für Unnötiges und konnte das Vereinsvermögen in Festgeld anlegen.»
Die Erfolgsgeschichte des Chramschopfs begann schon in den 1960er-Jahren. Berglerinnen und -bergler organisierten zusammen mit Pfarrer Schildknecht erstmals ein Bergfäscht. Ein voller Erfolg. Man beschloss, alle vier Jahre zu feiern. Für die Finanzierung war anfangs der 1970er-Jahre ein Flohmarkt angedacht – die Geburtsstunde des Chramschopfs. An der Gründungsversammlung wurden Statuten genehmigt, ein Vorstand und Arthur von Arx als erster Präsident des Vereins gewählt. Eine Kaffeestube gehörte dazu – «denn es zeigte sich bald, dass diese für die Mitarbeitenden wie für die Kundschaft einem Bedürfnis entsprach».
Wer heute durch den Schopf geht, ist erstaunt, wie sorgfältig alles aufgereiht und geputzt ist – kein Mief, kein Staub, keine Wollmäuse auf dem Holzboden. Die Auslage ist zugleich Spiegel der Bevölkerung. In der grossen Bücherabteilung steht manch gute Literatur in den Regalen. «Bücher brauchen jedoch viel Platz und generieren wenig Umsatz», bemerkt die Präsidentin. Die aufgereihten Babystühle in der Kinderabteilung zeugen von einer kinderfreundlichen Gegend. Dazu verhilft auch das Spital Zollikerberg mit modernster Geburtenabteilung. In der Boutique steht feines Porzellan aus gepflegten Haushalten. Nippes als kleine Staubfänger seien nicht mehr gefragt. Auch verändert die Digitalisierung die Auslage. Viele Dinge werden zuerst im Internet zum Kauf angeboten und erst danach in den Chramschopf gefahren. Das bedeutet, dass die Crew viel mehr Unverkäufliches als Gerümpel entsorgen muss.
Der Schopf ist ein Ort für Begegnungen geblieben – mit Kaffee versteht sich. Er ist auch kein Brockenhaus im klassischen Sinn, wie es etwa die Heilsarmee betreibt. Im Zollikerberg geht es um Nachhaltigkeit, Recycling und Geld sammeln für Menschen, die es nötig haben. Die Hälfte des Ertrags bekommen Schweizer Hilfswerke, die andere Hälfte ausländische. So geht etwa der erwirtschaftete Erlös vom 28. Oktober direkt an das Frauenhaus in Zürich (siehe Box). Eine bessere Motivation, sich von Dingen zu trennen, gibt es kaum – und bei dieser Gelegenheit eine Kristallkaraffe oder ein T-Shirt zu kaufen – oder einfach eine Tasse Kaffee zu trinken.
Die Präsidentin Rosemarie Zambelli setzt sich seit 23 Jahren mit viel Herzblut und Geschick für den Chramschopf ein. (Bild: fms)
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