Von Franca Siegfried ‒ 2. November 2023
Am 31. Oktober folgten trotz Halloween-Partys und Regen 40 Zollikerinnen und Zolliker der Einladung von Gabriela Scheidegger, Leiterin Fachstelle Alter und Gesundheit. «Wissen und Sensibilisierung für das Thema müssen dringend verbessert werden», betonte Uwe Koch, Dozent an der ZHAW, Departement Soziale Arbeit. Dies habe die Auswertung des letzten Altersmonitoring der Pro Senectute gezeigt. Er konzentriere sich deshalb auf Ergänzungsleistungen und Hilflosenentschädigung. «Wichtig ist eine Enttabuisierung des Bezugs von Ergänzungsleistungen, welche die Existenz sichern.»
Eine Stunde lang erklärte er das Sozialwerk anhand von Beispielen. «Unser Sozialversicherungssystem ist dynamisch und hat sich mit den Revisionen ständig weiterentwickelt.» Das «Drei-Säulen-Prinzip», 1972 vom Souverän angenommen, ist seither in der Verfassung verankert. Gemessen an den Ausgaben aller Sozialversicherungen (186 Mrd. Franken) ist die AHV mit 25 Prozent der zweitgrösste Zweig. Die Ergänzungsleistungen zur AHV machen lediglich 1,7 Prozent aus.
Frauen ab 64, Männer ab 65 Jahren haben Anspruch auf eine Altersrente. Diese lässt sich ein bis zwei Jahre früher oder bis zu fünf Jahre später beziehen. Wer lückenlos Beiträge bezahlt hat, bekommt die volle Rente von 2450 Franken; der Mindestbetrag beträgt 1225 Franken. Mit der letzten AHV-Revision wird sich die Flexibilisierung der Pensionierung ab 1. Januar 2024 verändern. Das Referenzalter 65 gilt für Frauen und Männer, die Erhöhung des Frauenrentenalters wird schrittweise eingeführt – Frauen ab Jahrgang 1964 werden in Zukunft bis 65 arbeiten.
Wer im Alltag auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, hat neben der AHV Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung. Als Kriterien für die Berechnung dienen Verrichtungen wie Körperpflege, Aufstehen, Essen usw. Der Grad der Hilflosigkeit mit vier Hilfeleistungen gilt als mittelschwer und wird mit 613 Franken monatlich unterstützt. Im Gegensatz zur Ergänzungsleistung ist
die Berechnung der Hilflosenentschädigung unabhängig von Einkommen und Vermögen. Uwe Koch schilderte einen Fall: «Der Mann leidet an Parkinson mit mittelschwerem Grad, seine Frau benötigt in zwei Verrichtungen Unterstützung – zusammen erhalten sie 858 Franken pro Monat.»
Wo Renten und Vermögen die minimalen Lebenskosten oder die hohen Heimkosten nicht decken, hilft die Ergänzungsleistung (EL). «Letztes Jahr bezog rund die Hälfte aller Personen in einem Heim Ergänzungsleistungen. Voraussetzungen sind der Wohnsitz in der Schweiz und ein Vermögen von weniger als 100 000 Franken pro Person». Die jährlichen EL entsprechen der Differenz zwischen anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen. Zu unterscheiden ist zwischen Personen, die zu Hause oder im Heim wohnen. Uwe Koch zeigte, dass eine in Zollikon wohnhafte Person in einer Mietwohnung dreimal weniger Ergänzungsleistungen erhält, als wenn sie im Heim leben würde.
Sobald das Vermögen von Alleinstehenden 30 000, von Ehepaaren 50 000 Franken übersteigt, gilt es als Einkommen. Zusätzlich werden bei selbstbewohnten Liegenschaften 112 500 Franken nicht als Vermögen berücksichtigt. Der Wert einer selbstbewohnten Liegenschaft wird bei der Vermögensschwelle auch nicht berücksichtigt.
Uwe Koch fand in Zollikon ein aufmerksames Publikum, manche machten sich Notizen. Besonders beim Vermögensverzicht wurde diskutiert: Was ist mit Schenkung oder Erbvorbezug? Beides werde als Vermögen angerechnet, als ob es noch vorhanden wäre. Auch alle, die zehn Jahre oder länger zurückliegen, werden angerechnet. Immerhin wird der Vermögensverzicht jährlich um 10 000 Franken reduziert.
«Übersteigt das Erbe eines EL-Beziehenden 40 000 Franken, muss die Ergänzungsleistung rückerstattet werden», informierte Uwe Koch. «Dadurch wird ein Erbe geschmälert, das betrifft oft selbstbewohnte Liegenschaften.» Bei Ehepaaren gelte diese Rückforderung erst beim Zweitverstorbenen. An diesem Abend wurde offensichtlich, wie komplex Sozialversicherungen sind. In der Diskussion erzählte eine jüngere Zollikerin, wie sie sich bei der Anmeldung ihrer Eltern abgemüht hat.
Das konnte Gabriela Scheidegger bestätigen: Die Fachstelle Alter und Gesundheit unterstütze bei Bedarf das Aufnahmeverfahren. Eine gesetzliche Regelung, die das Gerechtigkeitsempfinden aller abdecke, sei jedoch kaum möglich, zu verschieden seien die Voraussetzungen. Uwe Koch: «Mit dem Anspruch, ein gerechtes Sozialversicherungssystem zu entwickeln, wird es leider immer komplizierter.» Beim Aperitif wurde weiter diskutiert und dabei wohl realisiert, dass die Gemeinde ihren Einwohnerinnen und Einwohnern bei den grossen Fragen im Alter zur Seite steht.
Mehr Infos über die Sozialversicherungsanstalt: www.svazurich.ch
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