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Unperfekt von Nagel zu Nagel

Von Franca Siegfried ‒ 16. November 2023

Sechs Objekte des Zolliker Sammlers Hans Ulrich Maurer sind ab nächster Woche Teil der bemerkenswerten Ausstellung «Perfectly Imperfect» im ­Gewerbemuseum Winterthur.

Hans Ulrich Maurer hat sechs Objekte von seiner «Maurer Design Collection» dem Gewerbemuseum Winterthur für eine Ausstellung 
ausgeliehen. (Bild: cef)
Hans Ulrich Maurer hat sechs Objekte von seiner «Maurer Design Collection» dem Gewerbemuseum Winterthur für eine Ausstellung ausgeliehen. (Bild: cef)

Die Erzählung eines Missgeschickes bewirkt oft ein herzliches Lachen. Das Unperfekte ist menschlich, schafft Nähe, nach der wir uns alle sehnen. Es tröstet uns auch über unsere eigenen Schwächen hinweg. Kurzum, das Unperfekte birgt eine gewisse Leichtigkeit und zieht uns in der Regel mehr an als das Fehlerfreie. Das Perfekte erscheint oft als distanziert, leblos vielleicht. Der Zolliker Hans Ulrich Maurer mit seiner «Maurer Design Collection» kennt diese Faszination und hat in seiner Sammlung diverse Objekte, die ihn zum Schmunzeln bringen. Auch im Gestalterischen ist das Unvollkommene vielfältig. «An den Zürich Design Weeks traf ich Kurator Mario Pellin vom Gewerbemuseum Winterthur. Er erzählte von der geplanten Ausstellung ‹Perfectly Imperfect›, welche schon vor Corona angedacht war.» Danach kam der Kurator nach Zollikon und sah zuerst den Stuhl von Pieke Bergmans aus Bronze mit seinen krummen Beinen, die einzuknicken scheinen. Schönheitsfehler oder Produktionsmalaise? Der Smoke Thonet, ein angebrannter Stuhl von Maarten Baas, passt auch perfekt in die Ausstellung. Und da steht noch ein Beistelltisch aus ausgemustertem Edelholzfurnier von Marco Campardo. «Sechs Objekte suchte der Kurator aus.» Hans ­Ulrich Maurer freut sich über das Interesse, zumal es eine Premiere ist, dass sich ein Museum für seine Sammlung interessiert.

Ein Kapitel Industriegeschichte

Nach der Auswahl kommt das ­Administrative: Die sechs Stücke erhalten einen Ausleihvertrag mit genauen Beschreibungen, auch des Zustands. Damit beginnt die Versicherung mit der Klausel «Von ­Nagel zu Nagel», das heisst, das Museum haftet bei Diebstahl und Beschädigung. Die auf Kunsttransport spezialisierte Zürcher Firma Isler&Isler verpackt die Objekte und fährt sie in die Winterthurer Altstadt. Der bronzene Stuhl wiegt immerhin 100 Kilo. Das Gewerbemuseum ist im denkmalgeschützten Gebäude des einstigen Mädchengymnasiums untergebracht. Dessen Gründung ist ein Kapitel in der Geschichte Winterthurs als historischer Ort der Industrialisierung. Es wurde in den 1870er-Jahren eröffnet als Folge des damals gegründeten Technikums Winterthur. Ein Museum, das sich mit Alltagskultur, Kunst, Design und industrieller Produktion beschäftigt. 1889 wurde noch die Metallarbeiterschule gegründet. «Heute gilt Winterthur als Museumsstadt mit Fotomuseum, Sammlung Oskar Reinhart und Gewerbemuseum», sagt Hans Ulrich Maurer. «Meine Objekte würde ich nicht irgendwohin ausleihen.» Dabei betont er, dass das Museum schon weltweit hochkarätige Wanderausstellungen des Vitra Design Museums zeigte. Trotzdem muss sich das Gewerbemuseum Winterthur seinen Platz neben dem ­Zürcher Museum für Gestaltung immer noch erkämpfen. Etwa mit der bemerkenswerten Ausstellung der Unvollkommenen, zu sehen bis Mai 2024.

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