Von Joël J. Meyer ‒ 8. Dezember 2023
Die Baudirektion des Kantons Zürich möchte im Wehrenbachtobel neue Naturschutzzonen errichten. Der Entwurf der neuen Verordnung ist auf der Webseite des Kantons ersichtlich und liegt vom 17. November bis 16. Dezember bei den Gemeindeverwaltungen Zollikon und Zumikon öffentlich auf. Die Unterlagen und vor allem der Zonenplan geben detailliert Auskunft über die Zukunft des Tobels. Der dem Entwurf beigelegte Zonenplan muss jedoch aufmerksam studiert werden, um zu verstehen, wo welche Verordnungen und somit Verbote künftig gelten sollen.
Die allermeisten dürfte die Frage beschäftigen, wo man sich nachher überhaupt noch aufhalten darf und wo Hunde angeleint sein müssen. Eine Leinenpflicht soll es im Wehrenbachtobel nur in gewissen Zonen geben, was zur Folge hat, dass beim Spazieren in diesem kleinen Raum immer wieder Zonen mit und ohne Leinenpflicht überquert werden. Dass sich jemand unbewusst strafbar macht, ist absehbar, was zu Missverständnissen, gar Konflikten führen wird.
Ein genauer Blick auf die Zolliker Rossweid zeigt, wie Probleme entstehen können, wo Entschlüsse aus den Büros des Kantons auf die Realität des Gemeindelebens stossen. Die gesamte Rossweid wird im Verordnungsentwurf zur «Naturschutzzone I» deklariert, was unter anderem bedeutet, dass nur bestehende Wege begangen werden dürfen und überall Leinenpflicht gilt. Die angrenzende Glarnerwis ist jedoch nicht als Schutzzone geplant. Geht jemand zwischen beiden Gebieten mit dem Hund spazieren, gilt grundsätzlich keine Leinenpflicht, doch auch da soll es eine Ausnahme geben. Ein kurzes Stück des Rossweidwegs soll zur «Naturschutzzone IIA» werden, wo wiederum Leinenpflicht gilt – aber eben nur für einen Teil der Wegstrecke, mitten zwischen den Wiesen und nicht einmal vom einen zum anderen Waldrand. Diese Leinenpflicht ist beim Spazieren nicht nachvollziehbar.
Eine weitere Quelle für Missverständnisse könnte beim Grillieren entstehen. Die Grillstelle am Rossweidweg, die am Waldrand der Rossweid liegt, ist als «Erholungszone» geplant. Auf dem winzigen Gebiet darf man sich frei bewegen, grillieren und feiern; es gilt auch keine Leinenpflicht. Diese Zone wird aber bis auf einen kleinen Korridor durch Naturschutzzonen umringt. Läuft nun ein nicht angeleinter Hund beim Grillfest zu weit oder rennen spielende Kinder über die Zonengrenzen hinaus, wäre das bereits strafbar. Dass die Grillstelle bleibt, ist zwar eine gute Nachricht, die Erholung jedoch dürfte leiden, wenn nie sicher ist, ob Mensch und Hund sich in der erlaubten Zone befinden. Abgesehen davon, dass wohl kaum jemand mit einer amtlichen Übersichtskarte spazieren wird, ist der öffentlich aufgelegte Zonenplan schwer verständlich, es gibt Unklarheiten bei den Zonenabschnitten und besteht Verwechslungsgefahr bei den sehr ähnlichen Symbolen.
Weitere Beispiele könnten angeführt werden. In allen Fällen fragt sich, ob es überhaupt eine neue, wohlgemerkt kantonale Naturschutzverordnung braucht, und ob diese verhältnismässig, vor allem praktikabel ist. Die Verordnung ist kein neues Thema, der Zolliker Gemeinderat hat im November 2018 bereits Stellung zum Entwurf genommen, und zwar skeptisch: «Dem Gemeinderat geht diese Schutzverordnung zu weit.»
Zu restriktiv, gar kontraproduktiv, fand die Bauabteilung unter dem ehemaligen Gemeinderat Martin Hirs, weil «die sich über Jahrzehnte bewährten Nutzungen» verboten und reguliert würden: «Mit Verboten und Ausschluss reduziert man die Akzeptanz der Bürger für Naturschutzanliegen.» Deshalb beantragte der Gemeinderat damals, «die Verordnung weniger restriktiv, praktikabler und einfacher auszugestalten und bisherige Nutzungen wie Weiden, Betreten, Schlitteln und Grillen an Feuerstellen weiter zuzulassen».
Mittlerweile ist der Gemeinderat neu besetzt. Was den damaligen Antrag betrifft, zeigte sich die kantonale Baudirektion in zwei Punkten nachsichtig. Schlitteln auf der Rossweid soll durch eine Verfügung weiterhin erlaubt sein, und die landwirtschaftliche Nutzung, das Weiden, dank einer Ausnahmebewilligung bis auf weiteres möglich bleiben. Die aktuelle Zolliker Verwaltung ist damit zufrieden. «Der Gemeinderat wird die Schutzverordnung für das Wehrenbachtobel an seiner nächsten Sitzung vom 13. Dezember formell zur Kenntnis nehmen», sagt Gemeindeschreiber Markus Gossweiler.
Es sei nicht anzunehmen, dass der Gemeinderat einen Grund zur Anfechtung der Verordnung sieht, auch wenn nicht alle Einwendungen von 2018 berücksichtigt worden sind. Wichtig für den Gemeinderat sei, «dass die kantonale Baudirektion sich mit den Einwendungen eingehend auseinandergesetzt und eine Abwägung vorgenommen hat». Die neue Schutzverordnung entspreche grundsätzlich ihrem Legislaturziel, ökologische Mehrwerte im Sinne der Biodiversität zu schaffen.
Der ehemalige Gemeinderat Martin Hirs ist nach wie vor unzufrieden mit dem aktuellen Verordnungsentwurf, die Zugeständnisse des Kantons zum Schlitteln und Weiden findet er nicht sinnvoll: «Es geht hier um Ausnahmebewilligungen, die jederzeit wieder entzogen werden können.» Fraglich ist für ihn nach wie vor die Notwendigkeit einer neuen Verordnung, hätten doch Nutzung und Naturschutz bisher auch ohne funktioniert. Das Wehrenbachtobel mit seiner vielfältigen Flora und Fauna sei ohne bürokratische Verordnung entstanden. Dass man künftig lieber auf Verbote anstatt auf Kooperation mit allen Anspruchsgruppen setzen will, findet er fragwürdig und bedauerlich. Martin Hirs will nun eine Einwendung bei der kantonalen Baudirektion einreichen und mit neuen Anträgen eigene Lösungsansätze vorschlagen.
Am Ende bleibt die Frage, wie viel Regulierung es zum Schutz der Natur braucht, und ob diese sinnvoll oder lediglich Symbolpolitik ist. Wie zumutbar sind diese teils komplexen Vorschriften für die Bevölkerung? Wie sollen die Verbote kommuniziert und gehandhabt werden? Wann ist klar, wo Leinenpflicht gilt? Warum kann auf einer Wiese geschlittelt werden, die sonst nicht betreten werden darf? Sehen wir künftig im Wehrenbachtobel vor lauter Verbotstafeln den Wald nicht mehr, erweisen wir dem Naturschutz wohl einen Bärendienst.
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