Haftungsfragen am Hang

Von Franca Siegfried ‒ 12. Januar 2024

Der Schlamm auf der Trichtenhauserstrasse ist beseitigt, die Strasse ist wieder befahrbar. Mit der rechtlichen Frage, wer die Kosten berappen muss, könnte jedoch eine etwas andere Schlammschlacht – ohne Bagger – beginnen.

Das Ausmass des Hangrutsches hat alle überrascht. Den Schlamm von der Strasse zu entfernen gelang erst im dritten Anlauf. (Bild: cef)
Das Ausmass des Hangrutsches hat alle überrascht. Den Schlamm von der Strasse zu entfernen gelang erst im dritten Anlauf. (Bild: cef)

Erde durchmischt mit Dauerregen bewegt sich mittels Schwerkraft als glitschige Masse den Hang hinunter – und bleibt auf der Trichtenhauserstrasse liegen. Einem Velofahrer wurde am 17. Dezember diese Rutschbahn zum Verhängnis. Nach dem Polizei- und Feuerwehreinsatz blieb die Strasse gesperrt. Eigentlich kam der Hang an der Trichtenhauserstrasse 60 jedoch schon in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember ins Rutschen. Am Morgen danach benachrichtigten die Grundeigentümer nicht etwa die Gemeinde Zollikon, sondern zuerst den zuständigen Projektleiter der Heinz Bergmann GmbH. Warum?

Alles begann im Jahr 2021 mit folgendem Baugesuch der Werke am Zürichsee AG beim Kanton Zürich: «Erstellen einer Wasserleitung in der Freihalte- und Waldzone zur Versorgungssicherheit mittels einer Ringleitung für die Wasserversorgung Zollikons.» Die Bauart sollte ein grabenloser Leitungsbau mit Zielgrube sein, das bedeutete, dass nur der Zusammenschluss der Leitungen in einem offen gelegten Graben erfolgte. Die Baubewilligung unterschrieben am 4. Oktober 2021 Martin Hirs, der damalige Präsident der Baubehörde Zollikon, und der damalige Sekretär Hansjörg Salm. Die Baubehörde verfügte in der ­Bewilligung unter anderem: «Die Durchgrünung ist zu erhalten. Die Spülbohrung darf das Wurzelwerk von Bäumen nicht schädigen.» Diese Bestimmung beruhigte die Familie Heer, welche seit 150 Jahren das Land bzw. den Hang besitzt. Durchleitungsrechte von Wasserleitungen gelten als sogenannte Notrechte und müssen nicht unbedingt im Grundbuch eingetragen werden – ein notariell beglaubigter Vertrag genügt. Für die Projektleitung beauftragte die Gemeinde Zollikon Heinz Bergmann GmbH von Uerikon.

Verkehrschaos

Der Hang rutschte dort, wo die Leitung für die Wasserversorgungs­sicherheit durchgezogen wurde.
Der Schlamm verursachte nicht nur ­einen Velounfall, sondern auch eine Verkettung von unglücklichen Umständen. Zwei Bauunternehmungen scheiterten an den Aufräumarbeiten. Experten von Dr. von Moos AG – Geologie + Geotechnik, Zürich, begutachteten am 15. und 19. Dezember das Ausmass des Schadens. Auf Anweisung der Gemeinde kontaktierte die Familie Heer die Tiefbaufirma Korrodi AG von Wetzikon am 21. Dezember. Die Grundeigentümer mussten die Situation mit Verkehr und Schlamm mit Unterstützung der Bauunternehmer und dem ­Projektleiter bewältigen. Verkehrs­chaos herrschte jedoch nicht nur auf der Trichtenhauserstrasse. Besonders auf der Forchstrasse zeigte sich, wie stark frequentiert der Schleichweg auf dem Zollikerberg ist.

Wer muss bezahlen

Letzte Woche schrieb die Familie Heer an die Verantwortlichen der ­Gemeinde Zollikon, an Gemeindepräsident Sascha Ullmann und ­Gemeinderat Dorian Selz, Ressortvorsteher Bau. Besonders die Bemerkung eines Gemeindeangestellten hat die Familie aufgeschreckt: Der Schaden gehe zu Lasten der Grundeigentümer. Der Schlamm ist beseitigt, die Strasse frei – nun liegt die Haftungsfrage auf dem Tisch. Zumal die Werke am Zürichsee AG, an welcher auch die Gemeinde mit der Netzanstalt Zollikon beteiligt ist, derzeit präsidiert von Gemeinderat Patrick Dümmler. Im Zusammenhang mit der neuen Wasserleitung und dem Hangrutsch müssten sich die Werke am Zürichsee AG auf ihre Statuten besinnen. Artikel 19 Haftung besagt: «(…) sowie Dritten zugefügten Schaden haftet ausschliesslich die Anstalt mit eigenem Vermögen».

Von Gesetzes wegen sind auch Grundeigentümer zur sogenannten Verkehrssicherung verpflichtet. Das bedeutet, dass alle Vorkehrungen getroffen werden müssen, dass Menschen auf ihrem Grundstück nicht zu Schaden kommen. Nur waren die Grundeigentümer nicht die eigentlichen Bauherren der Wasserleitung, sie mussten die Baustelle mittels Durchleitungsrecht akzeptieren. Der Sachverhalt, wie es zum Hangrutsch gekommen ist, und die entsprechenden Rechtsgrundlagen würden zurzeit geklärt, deshalb können im Moment keine weiteren Angaben gemacht werden, schreibt die Gemeinde Zollikon auf Anfrage. Sie sei zum Zeitpunkt ­aktiv geworden, als die Sicherheit der Verkehrsteilnehmenden nicht mehr gewährleistet war. Es bleibt zu hoffen, dass keine weitere Schlammschlacht eröffnet wird – ohne Baumaschine – jedoch mit Anwalt.

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