Von Joël J. Meyer ‒ 26. Januar 2024
Letzten Mittwochabend fand der öffentliche «Informationsanlass zum Flughafen und zur Fluglärmthematik» statt. Gemeindepräsident Stefan Bührer begrüsste sowohl CEO Lukas Brosi als auch COO Stefan Tschudin der Flughafen Zürich AG im Gemeindesaal. Ein aufmerksames Publikum hing den Referenten an den Lippen; trotz der kritischen Haltung einiger Anwesenden gegen den Flughafen erhielten die beiden Manager Applaus für ihre interessanten und transparenten Darlegungen.
Im Fokus des Abends stand die Frage der Pistenverlängerung, über welche im März auf kantonaler Ebene abgestimmt wird. Dazu kamen viele andere Zahlen und Fakten zur Sprache: die nach der Coronazeit wieder ansteigende Flugnachfrage, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Flugbetrieb – auch die Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit. Der Flughafen will in der Dekarbonisierung bis 2040 «Netto-Null» erreichen und sei wegen seiner Massnahmen bereits mit der «Airport Carbon Accreditation» ausgezeichnet worden, die einem hohen Standard entspreche.
Vor allem das Publikum thematisierte mehrfach die Nachtruhezeit von halb zwölf abends bis sechs Uhr morgens. Die letzte halbe Abendstunde ist ein Not- und Reserveslot, in dem keine Flüge geplant werden. Für viele ist deshalb unverständlich, weshalb zwischen 23 und 23.30 Uhr nicht ausnahmsweise, sondern regelmässig Flugbetrieb herrscht. Damit unzufrieden ist auch Lukas Brosi, der kritisch auf die zunehmende Anzahl Flüge blickt und für pragmatische Lösungen plädiert. Das aktuelle Flughafensystem besteht seit 1976 und hat seither mit dem Wachstum und den geltenden Regulierungen zu kämpfen.
«Die Komplexität in Zürich ist einzigartig», fasste Lukas Brosi zusammen. Dass es infolge dieses Wachstums regelmässig zu Verspätungen und somit zu Flugbewegungen im Reserveslot kommt, ist eine Folge der überlasteten Infrastruktur. In der Schweiz sei der Bau eines neuen und effizienteren Flughafens undenkbar; darum müsse der bestehende mit seinen engen Rahmenbedingungen unbedingt weiterentwickelt werden. Dabei gehe es nicht um Profit, sondern um die allgemeine Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Flughafens. Man werde lediglich der Nachfrage gerecht, sagte der CEO und wehrte gängige Vorwürfe ab: «Wir sind keine Wachstumsturbos.»
Der Flughafen ist dementsprechend kein Selbstzweck, sondern hat einen klaren Auftrag des Bundes, erklärte Stefan Tschudin. Als ehemaliger Linienpilot konnte der COO dem Publikum detailliert und doch verständlich die Komplexität des täglichen Flugbetriebs näherbringen. Tatsache sei, dass die Spitzenkapazitäten des Flughafens am Limit sind und der Nachfrage nicht mehr gerecht werden. Für den Flugbetrieb gibt es verschiedene Betriebskonzepte, welche die An- und Abflüge auf den Pisten koordinieren. Welches Konzept eingesetzt wird, ist wetterabhängig. Im besten Fall ist das Nordkonzept im Einsatz, dass rund 66 Flugbewegungen in der Stunde ermöglicht. Im schlechtesten Fall wird auf das Bisenkonzept umgestellt, dass nur noch 42 Flugbewegungen erlaubt. Durchgehender Maximalbetrieb ist illusorisch, gleichzeitig fordert der Bund eine Kapazität von 70 Flugbewegungen in der Stunde.
Auch hier ist die Nachtruhezeit ein einschränkender Faktor. In den letzten 20 Jahren wurde sie stetig ausgeweitet, ursprünglich galt sie von halb eins nachts bis fünf Uhr morgens. Mit der aktuellen Regelung von halb zwölf abends bis sechs Uhr morgens kann der Flughafen Zürich als interkontinentale Drehscheibe weltweit nur noch schwer mithalten. Die Auflagen, ein fast fünfzigjähriges Pistensystem und die hohe Wetterabhängigkeit führen zu Verspätungen und folglich zur Ausnutzung des Reserveslots. Abhilfe soll darum mit den Pistenverlängerungen geschaffen werden. Wartezeiten entstehen dann, wenn Flugzeuge sich am Boden oder in der Luft kreuzen würden. Je nach Betriebskonzept kommt es zu mehr Komplexität und Konflikten im Flugverkehr.
Mit den geplanten Pistenverlängerungen können die bestehenden Konzepte ausgebaut und Verspätungen reduziert werden. In den letzten zwanzig Jahren haben die Passagierzahlen massiv zugenommen, die Flugbewegungen jedoch nicht. Dies dank grösseren und entsprechend effizienteren Flugzeugen. Doch grössere Maschinen brauchen längere Pisten. Aktuell können nicht alle Flugzeugtypen auf allen Pisten landen – deshalb die Verlängerungen. Zusammengefasst ist das Ziel des Flughafens, die Vorgaben des Bundes zu erfüllen, gleichzeitig die Passagier- und Frachteffizienz zu steigern und Verspätungen zu bekämpfen.
Ein paar hundert Meter für die Pisten und eine neue Umfahrungsschlaufe für Flugzeuge soll das künftig ermöglichen. Garantieren, dass es nicht mehr zu Verspätungen kommt, kann Lukas Brosi nicht. Er verspricht aber, dass es nicht zu noch mehr Flugverkehr kommt: «Aus der Pistenverlängerung folgt kein Kapazitätsausbau.» Den Vorwurf, der Flughafen investiere immer Geld ohne Aussicht auf Gewinn, weist er zurück. Mit den Pistenverlängerungen werde langfristig vor allem in die Sicherheit investiert
und diese ist bekanntlich unbe-
zahlbar.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.