Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 2. Februar 2024
Genau eine Arbeitswoche hat Renato Römer noch vor sich. Nächsten Freitag startet er in den pensionierten Lebensabschnitt. Doch spricht der Zolliker von seinen Freizeitaktivitäten, wird klar: Er hat dann auch keine Zeit mehr für einen Beruf. Erstaunlich genug, wie er bislang Arbeit und Hobbys vereinen konnte. Er hat vorgesorgt. «Ich wusste ja, dass die Pensionierung ansteht und habe mich rechtzeitig gekümmert, um diese Zeit sinnvoll füllen.» Zum Beispiel mit Sport. Seit vielen Jahren läuft er – regelmässig den Silvesterlauf und den Männedörfler Waldlauf. Und Renato Römer tanzt. Alle zwei Wochen führt er seine Ehefrau Renate aufs Parkett. Unter der professionellen Anleitung von Tanzlehrerin Gigi Jacquier aus Erlenbach üben sie Walzer, Foxtrott und andere Standardtänze. Gerne tauscht er auch den feinen Anzug mit Fliege gegen Trekkingkleidung und Sportschuhe. Letzten Sommer waren es mehrtägige Wanderungen auf Kreta. Mit kleinem Zelt und Gaskocher ging es in die weissen Berge der griechischen Insel. Diesen Sommer ist eine Tour durch einen Nationalpark Portugals geplant. Lockt im Sommer der Süden, sind es im Winter die Berge. Auf Tourenski geht es hoch hinaus.
So wie er selber gerne unterwegs ist, hat er in den vergangenen zehn Jahren die Entwicklung der reformierten Kirche Zollikon begleitet und verwaltet. «Mir war immer wichtig, dass sich die Kirche weiterentwickelt.» Dass er Katholik war, sei beim Vorstellungsgespräch mit Hanni Rüegg nicht wichtig gewesen, sondern nur, dass er einer christlichen Glaubensrichtung angehörte. Streng katholisch aufgewachsen konvertierte Renato Römer vor drei Jahren doch; er stiess sich an der streng hierarchischen Struktur der katholischen Kirche. Durch die Arbeit habe er die spirituelle Seite der reformierten Kirche kennen und schätzen gelernt.
Bis dahin hatte der Glaube in seinem abwechslungsreichen Berufsleben keine Rolle gespielt. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und Berufsmatur folgten anderthalb Jahre in England. Der junge Renato wollte die Sprache vor Ort lernen. Er arbeitete in London bei einer Spedition. «Ich habe viel erlebt und wenig verdient», lacht er. Immerhin habe der Chef die Sprachschule bezahlt.
Wieder in der Schweiz besuchte er eine Wirtschaftsschule in Zürich und begann, sich für Politik – besonders für Lokalpolitik – zu interessieren. Ihn störte, dass in Zollikon schon damals hohe Mieten für Wohnungen verlangt wurden. Gemeinsam mit Jürgen Schütt gründete er eine Baugenossenschaft. «Wir wollten jungen Paaren ermöglichen, im Zollikerberg und in Zollikon zu wohnen.» Konkret war eine Überbauung am Rande von Zollikerberg geplant. Doch eine Gemeindeversammlung lehnte die Pläne ab. Erst nach einem Landtausch mit der Stadt Zürich konnte oberhalb vom Schwimmbad Fohrbach gebaut werden. «Als ich 30 war, konnten wir das erste Haus realisieren.» Allerdings gab es für die Mieter strenge Regeln. War das jüngste Kind aus der Primarschule oder der jüngere Partner älter als 40 Jahre, musste die Wohnung freigegeben werden. Um zu gewährleisten, dass wirklich junge Mieter mit kleinem Budget in den Genuss kamen. «Für eine funktionierende Gesellschaft ist die Durchmischung immens wichtig.» Er wünscht sich eine Gemeinde, in der die Bewohner interagieren, sich kennen, sich im Verein begegnen. So schaut er denn mit grosser Freude auf das Gebäude des Freizeitdienstes im Zollikerberg. «Es ist einfach schön, dass dieses Projekt so umgesetzt werden konnte.» Wie aktives Zusammenleben auch sein kann, zeige das Café am Puls, mittlerweile ein Vorzeigehaus für Integration und ehrenamtliches Engagement.
Vor mittlerweile mehr als zehn Jahren trat Renato Römer als Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Pro Familia bei, die 50 Wohnungen verantwortet. Mit vertretbarem Mietzins sollen auch Geringverdienende in ihrer Heimat oder in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen können.
Er selber hat einen kurzen Weg zu einer weiteren Wirkungsstätte. Die Tochter wohnt mit ihrem Partner und ihren Kindern im selben Haus wie er und seine Frau. Als Grossvater kümmert er sich regelmässig um die Enkelkinder, spielt oder werkelt mit den beiden in der Holzwerkstatt in Zumikon. Der Bub und das Mädchen sind vier und sieben Jahre alt. «Anstrengend» würde vielleicht mancher sagen. «Spannend», findet dagegen Renato Römer.
ANMELDEN
Herzlich willkommen! Melden Sie sich mit Ihrem Konto an.