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Ende eines Dornröschenschlafs

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 8. März 2024

Ferdinand Stemmer entdeckt in einem kleinen Dorf eine der ältesten Orgeln des Baltikums und erweckt sie zu neuem Leben.

Die grosse litauische Orgel passt exakt in die Werkstatt von Ferdinand Stemmer. Im Mai wird sie zurückreisen. (Bild: bms)
Die grosse litauische Orgel passt exakt in die Werkstatt von Ferdinand Stemmer. Im Mai wird sie zurückreisen. (Bild: bms)

Für viele Menschen klingen Orgeln ein bisschen zu ­sakral, ein bisschen zu pompös. Für den Orgelbauer Ferdinand Stemmer ist Orgelmusik ein Geschenk – ein Geschenk, das er gerne auch anderen macht. Er war schon in der halben Welt unterwegs, um historische Orgeln aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. Er war lange in Schweden beschäftigt, auch in Armenien, Rumänien, Südafrika und Kuba. Das Dornröschen, das er nun in Litauen gefunden hat, hat sehr lange geschlafen.

Orgel mit Geheimnis

Ein befreundeter Organist aus Stralsund machte den Zumiker auf ein Instrument im litauischen Batakiai aufmerksam. Ferdinand Stemmer machte sich auf den langen Weg gen Osten, um sich die Orgel, die seit fast 70 Jahren nicht mehr spielbar ist, näher anzusehen. Die Orgel war in der 1885 gebauten Kirche als erworbenes Instrument aufgestellt und mit einer Pedal­erweiterung, einer neuen Balg­anlage und anderen Veränderungen angepasst worden. Bis 1940 fanden weitere Instandsetzungsversuche statt, die das Instrument vollends verstummen liessen.

«Ich kam mit dem Ziel, die Orgel vor Ort zu bearbeiten und sie wieder spielbar zu machen», erinnert sich der 75-jährige Orgelbauer. Er fand ein Instrument in desolatem Zustand – und mit einem Geheimnis. Im Zuge der Demontage kristallisierte sich heraus, dass die ­Orgel um einiges älter war als angenommen. Es handelte sich um ein ursprünglich pedalloses, seitenspieliges Werk mit zehn Registern, um 1700 von einem bisher ­unbekannten Königsberger Meister in hoher Qualität geschaffen. «Das hat natürlich alles geändert. Das Instrument avancierte zum letzten überlieferten klingenden Zeugnis des hochbarocken ostpreussischen Orgelbaus und zu einer der ältesten Orgeln im Baltikum überhaupt.» Die Orgel wurde verpackt und auf die zweitägige Reise nach Zumikon geschickt.

Sonntägliches Spendenkonzert

Mit viel Zeit, Fachwissen und ­Fingerspitzengefühl restaurierte oder ersetzte der Fachmann Pfeife für Pfeife, reparierte oder ergänzte die Holzarbeiten. Fotografien zeigen den wundersamen Weg aus dem Dornröschenschlaf. Ferdinand Stemmer freut sich auf den Mai, wenn die Orgel mit einem Konzert in Batakiai eingeweiht wird. «Die Menschen dort haben sie ja noch nie gehört.» Schon jetzt – noch in der Werkstatt – klingt sie warm und voll.

Der Transport, die vielen Arbeitsstunden, das Material – all das kostet. Von litauischer Seite bekommt Ferdinand Stemmer finanzielle ­Unterstützung. Er würde sich aber freuen, wenn auch die Zumiker und Zumikerinnen sich beteiligten. Von der Gemeinde abgewiesen setzt er nun auf ein Spendenkonzert am kommenden Sonntag, 10. März um 17 Uhr, in der reformierten Kirche Zumikon. Zu Gast wird auch Martin Stadler (Oboe, ­Flöte) sein, Freunden alter Musik ein Begriff. An der Orgel begleitet wird er von Davide De Zotti. Ferdinand Stemmer hofft auf viele Besucher – und offene Portmonnaies.

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