Gemeinsam stark sein

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 8. März 2024

Als Präsidentin des Zolliker Frauenvereins setzt Marie-Madeleine Matter ganz auf gegenseitige Unterstützung und ein engagiertes Miteinander.

Der Weg vom Elsass in den Zollikerberg hatte für Marie-Madeleine Matter einige Überraschungen zu bieten. Mittlerweile hat die engagierte Frau hier aber Wurzeln geschlagen. (Bild: bms)
Der Weg vom Elsass in den Zollikerberg hatte für Marie-Madeleine Matter einige Überraschungen zu bieten. Mittlerweile hat die engagierte Frau hier aber Wurzeln geschlagen. (Bild: bms)

Wenn es einen roten Faden im Leben von Marie-Madeleine Matter gibt, ist das wohl die Hilfsbereitschaft. Hilfe annehmen, Hilfe anbieten, sich gegenseitig ­unterstützen und stärken – das wünscht sich die Präsidentin des Zolliker Frauenvereins gleichermassen im Alltag als auch für ihren Verein.

Büro oder Krankenhaus

Dass es manchmal nur gemeinsam geht, hat sie schon als Kind gelernt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof im Elsass gehörte gegenseitige ­Unterstützung zum Leben. Die Bauern waren aufeinander angewiesen. Hilfsbereitschaft ist sicherlich auch eine gute Eigenschaft für den Beruf der Krankenschwester, den Marie-Madeleine Matter nach der Matura ergriff. «Die Töchter gingen ins Büro oder ins Krankenhaus. Das war einfach so.» So ganz einfach war es dann doch nicht. Die junge Frau studierte erst zwei Jahre in Strassburg, ehe sie sich zur Krankenschwester ausbilden liess. Von Kollegen und Kolleginnen hörte sie dabei viel von der Schweiz. Wie ­ruhig und anständig es da sei. Wie sicher und sauber. «In meiner Vorstellung war die Schweiz einfach ein Märchenland», lächelt sie. Also beschloss sie, für ein Jahr in der Schweiz zu arbeiten und zog nach Moutier. Schon in der ersten Nacht bekam das Bild einen Riss: In der Stadt tobten die Kämpfe um die Kantonszugehörigkeit. «Das entsprach gar nicht meiner Vorstellung von der Eidgenossenschaft.»

Der Weg führte sie weiter nach Genf, wo sie sich zur Intensivschwester ausbilden liess. Die Arbeit sei hart gewesen, doch harte und lange ­Arbeit war sie gewohnt. «Was mir gefiel, war, dass wir alle – Schwestern, Ärzte, Reinigungspersonal – ein Team waren. Auch da konnten wir nur gemeinsam bestehen.» So sehr sie die Arbeit im Krankenhaus mochte, so sehr störte sie die Anonymität der grossen Stadt. Irgendwann war die Sehnsucht zu gross und sie wollte wieder nach Frankreich. Sie kündigte, meldete sich in Genf ab, packte alles in ihr Auto. Der Abschied sollte mit einem letzten Fest am Genfer See gefeiert ­werden. Der Neuanfang misslang: Während Marie-Madeleine im See badete, wurde ihr Auto aufgebrochen – alle Papiere gestohlen, das Bankkonto noch in der Nacht leergeräumt. «Es war der Horror.» Und es wurde immer absurder. Sie war ohne Ausweis, doch sowohl die Schweiz als auch Frankreich waren der Meinung, der jeweils andere Staat sei in der Verantwortung.

Hilfe in der Not

Es war ihre eigene Hilfsbereitschaft, die ihr half: Während der Zeit auf der Intensivstation hatte sie sich auch um ein Mädchen aus Zürich gekümmert, dessen Eltern nicht so für sie da sein konnten, wie sie es gewünscht hätten. Sie kaufte Zahnpasta und Kosmetika für das Mädchen, setzte sich für die Patientin ein. «Als ihre Eltern durch Zufall erfuhren, dass ich ohne Pass, ohne Geld wieder auf dem elterlichen Bauernhof sass, haben sie mich ­sofort nach Zürich eingeladen. Sie lebten in einer grossen Villa am Zürichberg, wo ich mietfrei wohnen durfte.» Marie-Madeleine Matter konnte ihren Beruf wieder aufnehmen, begann im Spital Neumünster und machte irritierende Erfahrungen. Auch in Genf war es den Schwestern verboten gewesen, bei der Arbeit Schmuck zu tragen. «Aber wir trugen schöne Strümpfe und auch schöne Ohrringe. Wir ­haben einfach auf unser Erscheinungsbild geachtet.» In Zürich kam das vor allem bei den Kolleginnen nicht so gut an. «Ich war die aus der Romandie, die nichts kann», erinnert sie sich. Sie habe hart arbeiten müssen, um das zu überwinden. «Aber ich kann sehr hartnäckig sein.» Beruflich ging es am Uni-­Spital auf der Herz-Intensivstation weiter, privat lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Drei Kinder kamen auf die Welt, doch die Mutter hörte nicht mit der Arbeit auf. «Ich hatte eine Tagesmutter und mein ganzes Salär ging auf ihr Konto und trotzdem war es mir das wert.»

«Wir sollten uns viel mehr vernetzen»

Die Kinder wurden grösser, die ­Betätigungsfelder weiter. Die junge Mutter half in der Nachbarschaft, organisierte Schulfeste, engagierte sich im Elterngremium und initiierte eine neue Form des Familiengottesdienstes in der katholischen Kirche. Und irgendwann wurde sie gefragt, ob sie sich nicht im Frauenverein engagieren wolle. «Passives Mitglied war ich schon lange und plötzlich war ich im ­Vorstand.» Sie erinnert sich, wie schüchtern sie dagesessen habe, wie beeindruckt sie war und erstmal gar nichts gesagt habe. «Für mich war so vieles fremd, neu.» Doch Marie-Madeleine Matter lernte schnell, und seit fast fünf Jahren führt sie als Präsidentin die Geschicke des ältesten Vereins in Zollikon.

Auch für die Zukunft setzt sie eindeutig auf das Miteinander, auf die Bereitschaft, sich gegenseitig zu stützen. Dabei schaut sie über den Tellerrand hinaus. Andere Vereine sieht sie nicht als Konkurrenz. «Wir sollten uns noch viel mehr vernetzen.» Für sie ist klar, dass auch ein Frauenverein mit seiner Tradition lebendig sein muss, sich verändern muss, um attraktiv zu bleiben. Sie wünscht sich einen Frauenverein mit Angeboten auf allen Ebenen. Sie möchte die junge Mutter genauso ansprechen wie die berufstätige Familienfrau und die Grossmutter. «Frauen können sich gegenseitig stärken. Wenn sie nur wollen.»

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