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Architekten-Paar mit internationaler Ausstrahlung

Von Franca Siegfried ‒ 22. März 2024

In Zollikon entstehen ihre aussergewöhnlichen architektonischen Entwürfe. Und in Zumikon bauen sie. Soeben haben Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss einen amerikanischen MasterPrize Award gewonnen.

Mark Aurel Wyss studierte zusätzlich zur ETH an der Architektur­akademie der Rhode Island School of Design (USA). Nathalie Rossetti war Assistentin an der ETH Zürich und an der Architekturakademie der Universität USI in Lugano. (Bild: fms)
Mark Aurel Wyss studierte zusätzlich zur ETH an der Architektur­akademie der Rhode Island School of Design (USA). Nathalie Rossetti war Assistentin an der ETH Zürich und an der Architekturakademie der Universität USI in Lugano. (Bild: fms)

Der Gemeinderat von Zumikon erteilte dem Architektenpaar Rossetti+Wyss den Zuschlag für die Asylunterkunft im Farlifang. Geplant sind acht Wohnungen. Der Holzbau wird sich mit wenig Aufwand umfunktionieren lassen – und gewährt den Anspruch auf Langlebigkeit. Mit einer längeren Abschreibungsfrist von 33 Jahren führt dies zu tieferen Kosten als ein Provisorium oder Containerdorf. Der Neubau verfügt über eine gute CO2-Bilanz. Materialien werden weitgehend roh belassen oder ­witterungsabhängig vorvergraut – nach Erreichung der Nutzungsdauer können sie wiederverwendet werden. Nach einem siegreichen Planerwahlverfahren haben Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss ein weiteres Projekt in Zumikon auf dem Tisch: das Gemeinschafts­zentrum. Es gehört der politischen Gemeinde Zumikon, der evangelisch-reformierten und der römisch-­katholischen Kirchgemeinde. Die Eigentümer wollen das vierzigjährige Gebäude sanieren. «Wir erhalten bestmöglich die bestehenden Strukturen, das war der Ausschlag während der Testplanung», sagt Mark Aurel Wyss. «Wir wollen gute Voraussetzungen für eine zukünftige Gemeinschaft im Dorf schaffen», betont Nathalie Rossetti. «Etwas für alle. Voraussetzung ist ein intensiver Austausch zwischen Eigen­tümer und Nutzenden und gegenseitiges Vertrauen.» Die beiden berichten von anderen Projekten, davon, wie sie bis zu 150 Beteiligte «orchestrieren» dürfen. Sei das Projekt gelungen, würden sich alle, auch jeder Handwerker, damit identifizieren. Falls ein Projekt nicht gelinge, erzählen sie lachend, seien immer die Architekten schuld.

Im Beruf hat es gefunkt

Vor 22 Jahren liessen sich an der Expo 02 in Biel eine Million Menschen im Pavillon «Territoire imaginaire» von Lebensräumen aus ungewohnten Perspektiven begeistern. Den filigranen Bau in Glas und Holz haben Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss im Auftrag des Verbandes Schweizerische Kantonalbanken (VKSB) entworfen. Damit bekamen die beiden erstmals nationale Aufmerksamkeit. Zuvor hatten sie an der ETH studiert, begegneten sich jedoch erst als ausgebildete Architekten im Büro Bétrix & Consolascio in Erlenbach. Die Tessinerin Nathalie ­Rossetti ist in Mendrisio aufgewachsen und Mark Aurel Wyss an der Kramgasse in Bern. Zwei Menschen aus unterschiedlichen Lebensräumen haben sich dank der Faszination für ihren Beruf gefunden. Mark ­Aurel Wyss studierte zusätzlich ein Jahr an der Architekturakademie der Rhode Island School of Design (USA). Nathalie Rossetti war Assistentin an der ETH Zürich und an der Architekturakademie der Universität USI in Lugano.

Unvergleichliche Formsprache

Im Jahr 1999 zog das Paar nach Zollikon, ein Jahr später gründete es sein eigenes Architekturbüro in Zürich. Als Nathalie Rossetti das erste Kind erwartete, ergab sich die Gelegenheit, in Zollikon Büro­räume zu mieten: «Wir haben beide gearbeitet, deshalb musste der Weg ins Büro so kurz wie möglich sein. Heute sind die zwei Söhne 17 und 18 Jahre alt. Beide haben viel von unserer Arbeit mitbekommen.» ­Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss entwickelten für unterschiedlichste Aufgaben eine unvergleichliche Formsprache. «Jedes einzelne Projekt ist wie ein Mosaikstein in unserem Schaffen und muss gut sein», sagt Mark Aurel Wyss. «Es ist eine ständige Suche nach Einfachheit und Selbstverständlichkeit», doppelt Nathalie Rossetti nach. «Wir wollen keine ‹lauten› Projekte realisieren. Jeder Entwurf ist die Essenz für die Langlebigkeit eines Gebäudes.» Nathalie Rossetti wurde 2007 als erste Frau in den Vorstand des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) gewählt und wirkte zehn ­Jahre lang mit. Der Verein erarbeitet unter anderem national verbindliche Regeln der Baukunde als SIA-Normen.

MasterPrize Award 2023

Mit ihren Projekten haben sich Rossetti+Wyss international einen Namen gemacht. Wer sich in ihrem Büro die Hände wäscht, kann an den Wänden im Vorraum weltweite Auszeichnungen bewundern. Soeben wurden sie mit «The 2023 ­Architecture MasterPrize Award» von Los Angeles (USA) ausgezeichnet. Das Mehrfamilienhaus, vor drei Jahren an der Limmatstrasse in Höngg bezugsbereit, gehört mit diesem Award zu den besten internationalen Entwürfen – «Best of Best». Zusammen mit der Bauherrschaft hat das Paar ein Haus gebaut, das sich in die Umgebung einfügt, auf Strassenlärm reagiert, Lang­lebigkeit verkörpert, energetisch nach neustem Stand und wirtschaftlich tragbar ist. «Es war ein iterativer Prozess, ein Wechselspiel im Austausch über die Ansprüche der Bauherrschaft mit unseren Erfahrungen und den gesetzlichen Bauauflagen», erklärt Mark Aurel Wyss. «Die Eigentümer haben uns vertraut», sagt Nathalie Rossetti. Panels aus Holz schmiegen sich wie grosse Schuppen um den Baukörper und schützen ihn vor Wind und Wetter. Rücksicht auf die Umgebung, Bauordnung und die Reaktion auf Lärm und Besonnung ­haben einen sechseckigen Körper ergeben. «Mit dieser Form hat das Gebäude eine andere Tiefe, wirkt unauffälliger», sagt Nathalie Rossetti. «Im Innenausbau haben wir alles Unnötige weggelassen. Nicht nur aus Kostengründen. Wir machten die Qualität des verbauten Materials sichtbar.» Beton, hell gestrichene Backsteinwände und robuste Fliessböden aus Anhydrit.

Zweckmässig ist schön

Beim Büroeingang hängen zwei Grafiken von Le Corbusier (1887–1965). Er verlangte eine radikale Änderung der Architektur als Konsequenz der technologischen Entwicklungen in der Moderne – funktionale und wirtschaftlich tragbare Entwürfe für Gebäude und Städte. Seither ist die Funktionalität als massgebende Ästhetik gefragt. ­Diese Maxime lassen auch Nathalie Rossetti und Mark Aurel Wyss in ihre Arbeit einfliessen.

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