Von Franca Siegfried ‒ 28. März 2024
Menschen, die in der Schweiz Fuss fassen wollen und dafür Deutsch büffeln, realisieren spätestens am Arbeitsplatz, in der Migros, im Restaurant oder Zug, dass es eine weitere Sprachbarriere gibt – Schweizer Dialekt. Das hat auch Jacqueline Fritschi Bosshard motiviert, im Freizeitdienst Zollikon Kurse für «Schweizerdeutsch – Züritütsch» anzubieten. Von ihrem Soziologiestudium an der Universität Zürich kennt sie die Bedeutung der Soziolinguistik: Wie die Sprache nicht nur die Kommunikation prägt, sondern auch kulturelles, politisches und soziales Handeln in einer Gesellschaft beeinflusst. Kurzum, wer Zürcherinnen und Zürcher noch besser begreifen will, der sollte zumindest etwas «Züritütsch» verstehen, um sich schneller heimisch zu fühlen.
Ähnliche Erfahrungen machte Jacqueline Fritschi Bosshard, als sie als Studentin der Höheren Fachschule für Tourismus & Management (HFT) für ein Praktikum von Samedan nach Costa Rica reiste. Ein Jahr lebte sie in Zentralamerika, vertiefte ihre Spanischkenntnisse und verliebte sich in einen Mann aus Panama. Für ihren Abschluss reiste sie zurück nach Samedan, zog dann wieder nach Panama-City und arbeitete bei einem Reiseveranstalter, der sich auch für den Umweltschutz engagierte. «Ich war die einzige Ausländerin bei Ancon Expeditions of Panama», berichtet sie. Obwohl ihre Beziehung in die Brüche ging, blieb sie in Panama. Als sie sich eine berufliche Veränderung wünschte, bewarb sie sich bei der staatlichen Verwaltung des Panamakanals. Nach der Absage stieg sie ins nächste Flugzeug und landete einen Tag vor ihrem 30. Geburtstag in Zürich.
Bei einer Zürcher Grossbank arbeitete sie in der Vermögensverwaltung für den «Mexico-Desk». Und begegnete dort ihrem zukünftigen Mann: Heinrich Bosshard. Als Sohn eines Schweizer Vaters und einer Mutter aus Guatemala ist er in Venezuela aufgewachsen und lebt seit 1998 in der Schweiz. Im Jahr 2012 wurde geheiratet. Im Spital Zollikerberg brachte sie den ersten Sohn zur Welt. Als Mutter arbeitete sie noch Teilzeit. «In der Familie haben wir zwei Herzenssprachen – Spanisch und ‹Züritütsch›.» Zwei Jahre später war das Familienglück mit einem zweiten Sohn perfekt. «Wir bekamen eine Wohnung in einem Haus für altersgerechtes Wohnen und fühlten uns dort sehr wohl.» Als die Wohnung zu eng wurde, zog die Familie in die Nähe der Schule Rüterwis – und lebt nun seit 14 Jahren im Zollikerberg.
In der Zwischenzeit verlor Jacqueline Fritschi Bosshard ihre Stelle wegen einer Reorganisation der Grossbank. Diese stellte ihr als Teil des Sozialplans einen Coach zur Verfügung, mit dem sie herausfand, dass sie ihre Leidenschaft für Sprachen mit anderen Menschen teilen wollte. Sie entschied sich für eine Ausbildung an der Schule für angewandte Linguistik (SAL). In Horgen mit ausländischen «Gspänli» in der Nachbarschaft aufgewachsen, lernte sie früh, wie vielfältig Sprachen sein können. Ein wichtiger Grund, warum sie das Neusprachliche Gymnasium in Zürich Enge besuchte. Ein glücklicher Zufall war, dass sie nach ihrem SAL-Abschluss als Kursleiterin beim Freizeitdienst Zollikon unterkam. In den Kursen erlebt sie motivierte Erwachsene. «Sie sind interessiert und offen für unsere Welt, bringen sich aktiv ein und bereichern den Unterricht.» Tendenziell nähmen mehr Frauen teil als Männer. Oft auch Eltern, da ihre Kinder bereits «Züritütsch» verstünden. Verstehen sei das oberste Ziel, es gebe jedoch auch kulturelle Fragen zu den Gepflogenheiten in unserem Land. Zusammen werden Texte gelesen, Lieder gehört und die Aussprache geübt. Fragen zum Alltag werden diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht – der Sprachkurs ist auch eine Art Integrationshilfe. Wer seine Umgebung besser versteht, dem fällt das Zusammenleben leichter. Gefeiert wurden auch schon erfolgreich bestandene Einbürgerungen. Dank dem Einfühlungsvermögen von Jacqueline Fritschi Bosshard verbreitet sich eine entspannte, vertrauensvolle Atmosphäre im Quartiertreff an der Binzstrasse, wo die Kurse des Freizeitdienstes stattfinden.
Die Kursvorbereitungen nimmt Jacqueline Fritschi Bosshard besonders ernst, doch in den Lektionen gibt es auch Zeit für Spontanes. Bei Sprachen wie etwa Spanisch ist das Beschaffen der Lehrmittel leicht. Bei Mundart ist die Suche nach einem geeigneten Lehrmittel schwierig. Was, wenn ein Lehrmittel nur noch online erhältlich ist? «Ein Lehrmittel müsste gedruckt sein. Das wünschen sich die Teilnehmenden. Wir lernen die ‹Wörtli› auf Papier mit Aufschreiben.» Mit Karteikarten lernt es sich auch im Zeitalter der Digitalisierung besser – das ist ihre Erfahrung. «Ich bin gespannt auf den 12. April, den Anmeldeschluss für den ‹Züritütsch›-Kurs. Während Corona ging die Nachfrage zurück – jetzt zieht es wieder an.» Die Pandemie hatte den alltäglichen Kontakt mit Zürcherinnen und Zürcher gestört und das Tragen der Masken die Motivation zum Lernen kaum gefördert. Jetzt freut sich die Kursleiterin auf die neue Klasse – an Begeisterung und Motivation fehlt es ihr nicht.
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