Nachsorge ist höchste Präventionsarbeit

Von Aline Sloksnath ‒ 5. April 2024

Der Zolliker Verein Trauernetz startet mit der Selbsthilfegruppe «nebelmeerKIDS» ein neues Angebot für Kinder, die jemanden durch Suizid verloren haben.

Das neue Angebot soll Perspektiven schaffen und das Fundament für eine gesunde Weiterentwicklung trotz Schicksalsschlag legen. (Bild: cef)
Das neue Angebot soll Perspektiven schaffen und das Fundament für eine gesunde Weiterentwicklung trotz Schicksalsschlag legen. (Bild: cef)

Sterben Menschen durch Suizid, konfrontiert das ihre Angehörigen mit ­einem unermesslichen Gefühls­chaos. Trauer, Wut, Schuld und die ­unumgängliche Frage nach dem Warum bleiben zurück. Der Zolliker Jörg Weisshaupt betreut seit über 20 Jahren Suizidbetroffene. Mit dem Verein Trauernetz schafft er Begegnungsorte für Angehörige, in fachgeleiteten Selbsthilfegruppen vor Ort oder online. Eine konkrete Anlaufstelle für mit Suizid konfrontierte Kinder gab es im Raum Zürich bislang nicht. «Wir wurden immer wieder gefragt, ob wir auch Gruppen für Kinder planen», erklärt Jörg Weisshaupt, «diesem Bedarf sind wir nun nachgekommen». Am 15. April startet das einzigartige Angebot in Zürich für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren unter dem Namen «nebelmeerKIDS».

Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Während sich die Eltern mit Jörg Weisshaupt treffen, können die Kinder unter der Betreuung von Caroline Ruckstuhl, ausgebildete Trauerbegleiterin für Kinder und Jugendliche, spielen, malen, basteln, toben. Die Begegnung mit anderen Kindern, die ähnliches erleben, ist von entscheidender Bedeutung – sie schafft Perspektiven. «Der Austausch beim Spielen oder Kochen hilft den Kindern, wieder nach vorne zu blicken. Sie realisieren, dass sie mit dem Suizid in ihrer Familie nicht allein sind und dass das Gespräch darüber entlasten und befreien kann», erklärt Jörg Weisshaupt. Nicht selten zeigt das Umfeld im Umgang mit Hinterbliebenen Berührungsängste. Diese Unsicherheiten seien verständlich, meint Jörg Weisshaupt. «Wenn es für die Hinterbliebenen schon schwierig ist, mit dieser Berg- und Talfahrt an ­Gefühlen zurechtzukommen, wie soll denn das Umfeld darauf reagieren?» Ratschläge und jegliche Art von Wertungen sind im Umgang mit Trauernden nicht hilfreich. «Werden Hinterbliebene mit Fragen konfrontiert, denen nicht Empathie, sondern Neugierde zugrunde liegen, meiden sie den Kontakt und ziehen sich zurück.» Auch gutgemeinte Einladungen wie «melde dich, wenn du mich brauchst» sind nicht zielführend. Besser sind konkrete Vorschläge und anteilnehmendes Zuhören. Und bei Kindern? «Kinder kennen noch keine Tabus oder ­moralische Prinzipien. Wichtig sind ein offener Umgang und ehrliche Gespräche über das Geschehene und ihre Fragen. Kinder und Jugendliche sind den Erwachsenen dankbar, wenn der Suizid nicht verheimlicht wird.»

Entscheidend für den Trauerprozess ist auch die Art des Verlustes, sagt Jörg Weisshaupt: «Ein Suizid versetzt Angehörige in einen Schockzustand und löst Ängste aus. Eine betroffene Mutter sagte einmal zu mir: ‹Es war, als ob sich unter mir eine Falltür öffnete. Ich verlor den Boden unter den Füssen.› Trauer ist keine Krankheit, aber wird sie verdrängt, kann sie krank machen. Deshalb ist Nachsorge nach einem Suizid in höchstem Masse Präventionsarbeit.»

Am 15. April trifft sich «nebelmeerKIDS» im Selbsthilfezentrum neben dem Kluspark. Ein Vorgespräch ist Voraussetzung. Unkostenbeitrag: CHF 5 pro Person. Anmeldung an: info@trauernetz.ch. Telefonische Auskünfte: 076 598 45 30. Weitere Infos: www.trauernetz.ch

Angebote für Menschen in Krisen und ihr Umfeld:
Dargebotene Hand, Gespräch und Beratung: Telefon 143
Beratung und Hilfe für Kinder und Jugendliche: Telefon 147
Diese Stellen sind rund um die Uhr geöffnet, vertraulich und kostenlos.
Reden kann retten: www.reden-kann-retten.ch

Angebote für Hinterbliebene
Trauernetz – Verein für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch
Nebelmeer – Perspektiven für suizidbetroffene Jugendliche: www.nebelmeer.net
Regenbogen – Leben mit dem Tod eines Kindes: www.verein-regenbogen.ch
Lifewith – Wenn ein Geschwister stirbt: www.lifewith.ch

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