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Die Last der Entsorgung – Zollikon will keine Deponie

Von Sabine Born ‒ 12. April 2024

Gebaut wird viel und gerne – geht es aber um die Entsorgung und damit den Bau von Deponien, bietet man weniger gerne Hand. Das gilt auch für Zollikon, wo einer der 23 möglichen Deponie­standorte liegt, die die Zürcher Baudirektion am vergangenen Freitag vorgestellt hat. Der Zolliker Gemeinderat sagt klar Nein dazu.

Im Gebiet Brunnenwisen im Zollikerberg liegt einer der 23 möglichen Deponiestandorte. (Bild: zvg)
Im Gebiet Brunnenwisen im Zollikerberg liegt einer der 23 möglichen Deponiestandorte. (Bild: zvg)

Der grösste Teil der Deponieabfälle stammt aus der Bauwirtschaft. Durch vermehrte Kreislaufwirtschaft kann dieser Anteil zwar deutlich reduziert werden, aber Deponien sind auch in Zukunft nötig. Der Kanton hat von 2020 bis 2023 die «Gesamtschau Deponien» erarbeitet und am vergangenen Freitag anlässlich einer Medienkonferenz 23 Standorte genannt, die mit der Teilrevision 2024 im kantonalen Richtplan festgesetzt werden sollen.

Ein möglicher Deponiestandort ­befindet sich im Zollikerberg. Im Gebiet Brunnenwisen nahe Binz könnte ein Volumen von 1,6 Millionen Kubikmetern Abfall gelagert werden. Der Standort sei für alle Kategorien von B bis allenfalls E, also für die Lagerung von wenig belasteten mineralischen Abfällen bis hin zu stark belasteten Abfällen geeignet. Der Standort erreichte bei der Evaluation eine hohe Anzahl Eignungspunkte.

Erschliessung über Forchstrasse

Zur Erschliessung des Gebiets schreibt der Kanton, dass die Zufahrt über die Forchstrasse via Binzstrasse führe und somit Siedlungsgebiet tangiere. Und weiter, dass die Strassen den Anforderungen des durch die Deponie verursachten Verkehrs genügen sollten. Der Zolliker Gemeinderat zeigt sich sehr überrascht über diese Evaluierung. Er habe zwar von der Gesamtüberprüfung der Deponiestandorte gewusst, nicht aber vom konkreten Standort im Zollikerberg. «Die Information kam für uns aus heiterem Himmel», sagt Gemeindepräsident Sascha Ullmann, «denn der Kanton hat uns im Vorfeld nicht involviert.»

Die Zürcher Baudirektion betont, die Standorte seien in einem breit abgestützten Verfahren festgelegt worden, während dem die Kriterien n Zusammenarbeit mit Vertretern von Gemeinden, Planungsregionen, Waldeigentümern, Landwirtschaft, Umweltorganisationen und Deponiebetreibern entwickelt worden sind. «Dabei ging es lediglich um Kriterien für die Standortwahl und nicht um die Standorte selbst», betont Sascha Ullmann, der persönlich nicht in den Prozess involviert war. Dazu gehören zum Beispiel Evaluationskriterien, anhand derer die Standorte bewertet wurden wie Verkehrserschliessung, Einsehbarkeit vom Siedlungsgebiet aus, oder ob Wald oder Fruchtfolgeflächen betroffen sind.

Auch in Zollikon wird rege gebaut

Dennoch musste Zollikon zumindest von der Möglichkeit ausgehen, als Deponiestandort in Frage zu kommen. Was ja rechtens ist, zumal auch in Zollikon rege gebaut und somit Deponieabfall verursacht wird. «Deponiestandorte müssen aber auch mit dem städtischen Naherholungsgebiet und der Verkehrsbelastung im Zollikerberg vereinbar sein. Das ist hier nicht der Fall», sagt Sascha Ullmann.
Das Gebiet Brunnenwisen liege mitten im Naherholungsgebiet und befinde sich im Quellgebiet des Wehrenbachtobels, das jüngst unter Schutz gestellt worden sei. Auch dass der Zollikerberg mit der Deponie über Jahrzehnte mit noch mehr Verkehr belastet werden soll, sei inakzeptabel: «Bereits heute ist die Zufahrt über die Forchstrasse an der Kapazitätsgrenze, die Bahnschranken und die geplante ­Frequenzerhöhung der Forchbahn werden das Problem noch verschärfen.» Für den Gemeindepräsidenten ist klar, dass sich der Gemeinderat mit allen Mitteln gegen diesen möglichen Deponiestandort zur Wehr setzen wird.

Wie geht es weiter?

Die 23 geeigneten Deponiestandorte dienen als Grundlage für eine Teilrevision des kantonalen Richtplans, die voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2024 öffentlich aufgelegt wird. «Im Rahmen dieser Auflage werden wir unsere Bedenken äussern», betont Sascha Ullmann. Letztlich entscheidet dann der Kantonsrat über die Festsetzung der Deponiestandorte im Richtplan, die eine Voraussetzung für den Bau einer neuen Deponie ist.

Doch auch wenn Zollikon in den Richtplan aufgenommen wird, heisst das noch lange nicht, dass die Deponie tatsächlich realisiert wird. Häufig führen Konflikte bei der Planung zu erheblichen Verzögerungen. Von den zehn neuen Richtplan-Standorten aus dem Jahr 2009 wurden bis heute lediglich zwei in Betrieb genommen. «Dennoch müssen wir davon ausgehen, dass die Deponie im Zollikerberg konkret wird, da der Kanton den Standort als sehr attraktiv bewertet», sagt Sascha Ullmann. Als attraktiv gilt zum Beispiel das grosse Volumen von 1,6 Millionen Kubikmetern. Tatsächlich betonte Regierungsrat Martin Neukom, Vorsteher der Baudirektion, an der Medienkonferenz vom letzten Freitag, dass man lieber eine grosse, statt drei kleine Deponien baue.

Zwei Standorte wurden übrigens aufgrund geänderter Gewässerschutzmassnahmen aus dem bestehenden Richtplan entlassen. Auch das ist also möglich. Es sind die Standorte Fuchsloch und Holzweid und nicht etwa Chalberhau oder Tägernauerholz, die in der Vergangenheit ein grosses Medienecho ausgelöst haben. Man wolle die Standorte nach ihrer Eignung und nicht nach der Grösse des Protestes auswählen, sagte Martin Neukom. Was im Umkehrschluss nicht heissen soll, dass Widerstand zwecklos ist.


«Der Standort liegt nicht im Zustrom einer ­genutzten Quellfassung»

Die mögliche Deponie in ­Zollikon wirft Fragen zu Sicherheit und Umweltauswirkungen auf. Wir haben bei Katharina Weber, Mediensprecherin der Zürcher Baudirektion, nachgefragt.

Frau Weber, die Baudirektion schlägt vor, eine Deponie an der höchsten Stelle der Gemeinde zu errichten, was die zahlreichen Quellen von ­Zollikon gefährden könnte. Warum hält die Baudirektion diesen Standort trotzdem für geeignet?

Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Bei grossen Deponien wird oft in Etappen gearbeitet, so dass nicht die ganze Deponie offen ist und abgeschlossene Etappen laufend rekultiviert werden. Bei einer grossen Deponie sprechen wir insgesamt von einigen Jahrzehnten. Brunnenwisen liegt im Bereich von Moränenmaterial und Molassen­gestein, die generell schlecht wasserdurchlässig sind. Zudem liegt der Standort nicht im Zustrom einer genutzten Quellfassung. Wir gehen davon aus, dass das Niederschlags­wasser aus dem Gebiet über den Rossweidbach abfliesst. Dies sind gute Voraussetzungen für einen Deponiestandort. Bis eine Deponie gebaut werden kann, muss mit vertieften Abklärungen nachgewiesen werden, dass diese Annahmen auch stimmen. Der Kanton bewilligt nur dann eine Deponie, wenn sie sicher ist.

Welchen Einfluss hat die Deponie auf die Wasserqualität in der Gemeinde Zollikon?

Die Wasserqualität von Zollikon wird durch eine Deponie an diesem Standort nicht gefährdet. Zusätzlich zu den schlecht durchlässigen, natürlichen Gesteinsschichten wird eine moderne Deponie durch künstliche Abdichtungen und Entwässerungen gesichert. Der Schutz von Grundwasser und Oberflächengewässern hat höchste Priorität und wird laufend geprüft.

Wie hoch wären die Kosten bei einer Havarie der Deponie?

Der schlimmste anzunehmende Fall bei einer Deponie ist, dass diese vollständig wieder ausgehoben werden muss. Die Kosten dafür hängen von der Menge und Zusammensetzung des abgelagerten ­Materials ab und können auf der aktuellen Planungsstufe nicht abgeschätzt werden. Allfällige Sanierungskosten sind durch den Deponienachsorgefonds gedeckt.

Was, wenn das Zolliker Wasser trotzdem kontaminiert und nicht mehr trinkbar ist?

Dieser Fall ist höchst unwahrscheinlich. Sollte trotz aller Vorkehrungen eine undichte Deponie Trinkwasser kontaminieren, muss sie saniert werden, mit dem Ziel, den Einfluss der Deponie auf das Grundwasser zu beheben. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass das Sickerwasser gefasst und in die Kanalisation geleitet wird.

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