Ein Faible für Designobjekte

Von Franca Siegfried ‒ 14. Juli 2022

Als Grafiker hat Hans Ulrich Maurer einen Blick für Schönheit und Funktionalität. Er sammelt Objekte, die teilweise auch in Designmuseen stehen. Dem Zolliker Zumiker Boten gewährt er Einblick in sein privates Museum.

In der privaten Sammlung von Hans Ulrich Maurer steht der «Melted Bronze Chair» (2014) vom holländischen Designer Pieke Bergmans. (Bild: fs)

Das spektakulärste Gebäude von Rio de Janeiro steht nicht etwa in Rio, sondern auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht – in Niterói. Dort hat der berühmte Architekt Oscar Niemeyer das Museu de Arte Contemporânea (Museum der Zeitgenössischen Kunst), eine schneeweisse fliegende Untertasse, gebaut. In Niterói ist Hans Ulrich Maurer 1956 auf die Welt gekommen. Seine Grosseltern mütterlicherseits machten sich als Einwanderer im Geschäft mit Modeschmuck einen Namen. Brasilianerinnen schmücken sich nicht nur am Karneval mit Glitzer. Darum wurde auch der Schwiegersohn, ein Zolliker, ins Geschäft in Brasilien integriert. Die junge Familie reiste jedoch einige Jahre später in die Schweiz zurück. Hans Ulrich war damals sieben Jahren alt. Obwohl er schon in Rio die Schweizer Schule besucht hatte, ging er in Zollikon zusammen mit seinem jüngeren Bruder nochmals in die erste Klasse. Hans Ulrich Maurer wollte jedoch nicht Kaufmann werden, ihn faszinierten die schönen Künste. Darum meldete er sich kurzentschlossen nach der Sekundarschule zur Aufnahmeprüfung des Vorkurses an der Kunstgewerbeschule in Zürich. «Ich ging mit grosser Naivität an die Prüfung, zeigte jedoch derart viel Herzblut, dass mir die Experten eine Chance gaben», erzählt Hans Ulrich Maurer. Nach dem Vorkurs lernte er Grafiker und arbeitete bei der Werbeagentur Advico. Mit 30 Jahren wählte er die Selbständigkeit. In seinem Atelier in Zollikon beschäftigte er zeitweise sieben Angestellte. Der Nachwuchs war ihm wichtig. Daher bildete er insgesamt zwölf Lehrlinge aus. Zu seiner Kundschaft zählten unter anderem Mövenpick, Privatbanken, Industrie und Gewerbe. Nebst seinem kreativen Beruf erwachte eine zweite Leidenschaft, das Sammeln. Alles begann mit Zinnfiguren, aber nicht etwa die klassischen Soldaten, sondern Spielfiguren mit Kostümen von fremden Kulturen, ihre Behausungen und Tieren. Zusätzlich entdeckte er alte Zigarettendosen als Sammelobjekt. Als Grafiker hatte er ein geschultes Auge für Werbebotschaften, daher konnte er an den Blechdosen die Entwicklung der Tabakindustrie ablesen. Zuerst waren es Männer, Helden, die als Botschafter aufgedruckt waren, danach folgten exotisch anmutende Frauen, etwas anrüchig vielleicht, bis sich das Rauchen auch für die Dame von Welt etablierte.

Maurer Design Collection

Jede Dose erzählt eine Geschichte und sie stehen jetzt alle in hell erleuchteten Vitrinen an der Dufourstrasse in Zollikon. In einem Geschäftshaus hat sich der Grafiker mit all seinen Schätzen eingerichtet. «Es ist mein externes Wohnzimmer», sagt er lächelnd. Es ist auch kein eigentliches Museum, obwohl er sein Reich «Maurer Design Collection» nennt. Beim Betreten der Räumlichkeit verlässt man die laute Welt der Durchgangsstrasse und spürt den Geist eines Ortes, der von der Sammelleidenschaft eines Mannes lebt. Nur schon das «Museums-Café» ist stilsicher eingerichtet, ohne Zufälligkeiten. Es wird Pepita getrunken. Die Grapefruit-Limonade gehört zum kulinarischen Erbe der Schweiz. Zumal der bekannte Basler Grafiker Herbert Leupin 1949 eine Etikette entwarf, die heute noch Kinderherzen entzückt: ein Ara-Papagei mit bunten Schwanzfedern vor grünem Hintergrund. Vor dem Eingang des Cafés steht eine Stuhlikone aus Bugholz, ein Designklassiker. Michael Thonet reagierte damals auf die Wiener Kaffeehauskultur, indem er ein Baukastensystem für Stühle entwickelte: «Holzteile von insgesamt 36 Stühlen konnte man in einer Holzkiste von einem Kubikmeter verstauen und vor Ort zusammenschrauben», erzählt Hans Ulrich Maurer. «Dieses Modell 14 ist so was wie ein Urmodell des Ikea-Konzeptes aus dem 19. Jahrhundert.» Maurers Stuhl ist vom Feuer angesengt, der Holländer Designer Maarten Baas hat dieses Stück bearbeitet. Der Herr der Kollektion ist gut vorbereitet und hat zu allen Objekten Dokumentationen angefertigt. Improvisation hat keinen Platz in Maurers Sammlung. Er sieht sich nicht als Kurator. Für ihn als privaten Sammler sei nur die Leidenschaft massgebend. Trotzdem hat er sich in seiner Kollektion nicht verzettelt. Die faszinierenden Unikate haben oft noch eine Miniatur als Zugabe. Manche sind Prototypen, die ihm Sorgen bereiten, da die Beschaffenheit des Materials noch nicht ausgeklügelt ist, weshalb sich Veränderungen bilden können. Er hat jedoch genügend Designer-Werkstätten zur Hand, die seine Lieblingsstücke restaurieren. In der Kollektion stehen Objekte, viele Stühle, Tische, Lampen, einige sind auch in Designmuseen zu bewundern. Er kennt sich in der Szene aus, weiss wo Auktionen stattfinden. Recherchiert nach Trouvaillen und beobachtet die Preisentwicklung auf dem Markt.

Alles andere als verstaubt

Objekte und Möbel, alles ist blitzblank – kein Hausstaub, keine Wollmäuse. Das muss eine Perle sein, die so gut wischt. Doch: «Eine Putzfrau kommt mir nicht in meine Sammlung, man hört genug Schauergeschichten von gefegten Kunstwerken», meint Maurer. Er pflegt die Kollektion höchstpersönlich. «Im Moment bin ich auch Präsident vom Kiwanis Club Zürich-Dolder», sagt er. «Für den habe ich neulich eine Reise nach Amsterdam organisiert. Dort besuchten wir unter anderem das Studio des Designers Joris Laarman.» Holland bezeichnet man mit der Design Academy Eindhoven als Bauhaus-Bewegung von heute. Wie die Holländer fährt auch er gerne Velo, zumindest in den angenehmen Jahreszeiten ist er mit dem E-Bike unterwegs. Seit er sein Grafik-Atelier altershalber aufgegeben hat, nimmt er sich Zeit, Interessierten die Kollektion zu zeigen. «Meine Erben werden irgendwann viel zu tun haben mit der Sammlung», sagt er. «Alles in Container verpacken und nach Brasilien verschiffen.» In Niterói, wo ihn seine Mutter zur Welt brachte, wäre die «Maurer Design Collection» im Museum der Zeitgenössischen Kunst gut aufgehoben, das wäre sein Traum.

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Eine Antwort

  1. Wirklich überwältigend, diese Sammlung, und trotz allem schlicht. Schon die Mutter, Ella Liselotte Maurer pflegte zu sagen: „Alles Edle ist einfach“. Und was für eine faszinierende Idee, die Sammlung später nach Brasilien zu vererben!
    Raoul Pietro Leopardi

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