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Nervöse Zone

Von Franca Siegfried ‒ 5. April 2023

Die Schule Rüterwis kommt nicht zur Ruhe. Fakten, strukturelle Massnahmen und viele Mutmassungen über Lehrpersonen und Schulleitung.

Die Sonne bleibt draussen: Hinter den Kulissen der Schule Rüterwis gewittert es seit Längerem. (Bild: cef)
Die Sonne bleibt draussen: Hinter den Kulissen der Schule Rüterwis gewittert es seit Längerem. (Bild: cef)

«Die kantonale Personalgesetzgebung legt nämlich fest, dass Lehrpersonen nur per
31. März jeden Jahres kündigen können, wenn sie die Schule am Ende des laufenden Schuljahres verlassen möchten. Seit letztem Freitag wissen wir nun, wer auch im neuen Schuljahr noch im Rüterwis arbeiten möchte», das Schreiben an die Eltern ist von der Präsidentin der Schulpflege Claudia Irniger und dem Leiter Bildung Urs Rechsteiner unterzeichnet. Damit wird eine Tatsache erwähnt, die vielen unbekannt ist: Lehrpersonen haben keine Kündigungsfrist von drei Monaten. Sobald sie den 31. März verpasst haben, sind sie die nächsten 16 Monate an ihren Vertrag gebunden. «Wer also im Hinterkopf hat, eine Veränderung anzustreben, überlegt sich jeweils gut, ob er bleiben möchte, zumal es aktuell für Lehrpersonen gute Chancen gibt, eine neue Stelle zu finden, da der Markt ausgetrocknet ist. Das weiss ich aus eigener Erfahrung», sagt Claudia Irniger. Mehr als 20 Mitarbeitende haben im Rüterwis gekündigt, darunter sind elf Lehrpersonen. Mit dem kantonalen Gesetz des einzigen Kündigungstermins soll die Kontinuität des Unterrichts gewährleistet werden. Durch diese strukturelle Massnahme, ein Kündigungstermin im Jahr, erscheinen Fluktuationen als Kündigungswellen oder werden als Protestkundgebungen wahrgenommen. Rüterwis ist jedoch das Sorgenkind der Präsidentin der Schulpflege. Insgesamt werden im Sommer elf Lehrpersonen das Rüterwis verlassen, zwei davon gehen in Pension. Acht Stellen konnten schon wieder besetzt werden – zweieinhalb Stellen fehlen noch. Der Unruheherd an der Schule ist eine Mischung zwischen persönlichen Befindlichkeiten, strukturellen Gegebenheiten und einer besorgten Elternschaft. «Wir haben auf die Unruhe reagiert», sagt Claudia Irniger. «Franz Holderegger von der Krisenintervention Schweiz begleitet das Team Rüterwis. Der Psychologe hat jahrelange Erfahrung mit Schulen und Lehrpersonenteams in solchen Situationen. Mediationen sind jedoch lange Prozesse, das braucht viel Zeit und Geduld.»

Schule im Spannungsfeld

Aufgrund der zunehmenden Bürokratisierung und der Ansprüche der Gesellschaft nach mehr Transparenz und Kommunikation wurde einst der Beruf der Schulleitung kreiert. Diese Ebene in der Organisation zwischen Lehrpersonen, Gemeinde und Schulpflege sollte Lehrpersonen entlasten, damit sie sich vermehrt auf die Kinder konzentrieren können. Was jungen Lehrpersonen als selbstverständlich erscheint, können ältere als Einschränkung ihrer Autonomie empfinden. Für den ­Beruf der Schulleitung braucht es ein anerkanntes Zertifikat. Die Ausbildung wird von Pädagogischen Hochschulen angeboten und schliesst in der Regel mit einem «Certificate of Advanced Studies (CAS)» ab. In Zürich gelten kantonale Leitsätze für die Schulleitung: «Schulleiterinnen und Schulleiter sind für die Qualitätsentwicklung der ganzen Schule zuständig. Sie sind Fachleute für das Führen, Gestalten und Weiterentwickeln einer Schule, handeln kooperativ und selbstbewusst im Rahmen eines geklärten Auftrages. Sie sind Schlüsselfiguren der Schulentwicklung und arbeiten mit an der Zukunft der Volksschule.» Mit diesen Leitsätzen sind Auseinandersetzungen mit Lehrpersonen mit aus­geprägtem pädagogischem Bewusstsein und dem Stolz, autonom unterwegs zu sein, vorprogrammiert. Und am 30. März, ein Tag vor dem Kündigungstermin der Lehrpersonen, hat die Zürcher Bildungsdirektion kommuniziert, dass die Anstellungsbedingungen für Schulleitungen verbessert werden sollen. Die EDK anerkenne die grosse Führungsverantwortung der Schulleitungen und sichere die Attraktivität dieses anspruchsvollen Berufsfeldes langfristig, indem sie für die Volksschule mehr Ressourcen für die zusätzlichen Aufgaben zur Verfügung stellen will. Was einst mit gutem Willen angedacht wurde, entpuppte sich als Kopfgeburt der Bürokratie. Schulleitungen führen häufig über 30 Mitarbeitende und sind im Sinne des oben genannten Leitbildes auch noch für die Qualitätsentwicklung der Schule zuständig. Allen diesen Aufgaben gerecht zu werden, ist in grossen Schuleinheiten fast unmöglich. Das Spannungsfeld, das daraus entsteht, wird jetzt teilweise in Gemeinden und Schulen ausgetragen, nicht nur im Rüterwis. Das Bewusstsein, dass dieses Problem in die Erziehungsdirektion an den Walcheplatz in Zürich ausgelagert werden müsste, könnte in Gemeinden eine gewisse Entlastung geben. Es darf nicht sein, dass sich Bürokratie und der gesellschaftliche Anspruch an die Kommunikation mit grösstmöglicher Transparenz auf den Schul­alltag auswirkt und Kinder unter Umständen zwischen die Fronten geraten. Zumal Schulen besonders empfindliche Zonen sind, das zeigt sich auch beim Verhalten einiger ­Eltern im Zollikerberg. Ohne, dass sie die möglichen demokratischen Wege in der Gemeinde in Anspruch nehmen, tauchen sie ab ins Internet als rechtsfreien Raum, in eine Welt ohne Regeln: Mit einer Kampagne per E-Mail, anonym oder mit Nickname wird mobilisiert, was auch keine Lösung bringen wird – und kein Vorbild für Kinder ist.

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Eine Antwort

  1. Haben Sie Ihre journalistische Pflicht erfüllt und mit allen Seiten Gespräche geführt?
    Ich habe meine demokratischen Rechte durchaus wahrgenommen, und meinen Unmut bei der Schule, aber auch den politische Gremien deponiert. Mit meinem Namen. Also beschwören Sie bitte keine Hetzkampagne herauf und lassen Sie sich nicht vor den Karren spannen: Das schadet Ihrer journalistischen Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.
    Martina Schnyder

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