Von Franca Siegfried ‒ 13. Juli 2023
Auf 97 Seiten ist nachzulesen, was der Souverän an den beiden Gemeindeversammlungen vom 14. und 15. Juni beschlossen hat. Gemäss Patrizia Merotto, Statthalterin und Bezirksratspräsidentin, hat ein einziger Satz, respektive haben fehlende Informationen die Beschwerden der 18 Personen ausgelöst. «Die neun Beschwerden mit leicht unterschiedlichen Begründungen verlangen allesamt eine Ergänzung des Protokolls bezüglich der von der Schulpräsidentin vor der Beantwortung der Anfragen nach Paragraf 17 Gemeindegesetz gemachten Aussagen», sagt Gemeindeschreiber Markus Gossweiler. Der Impfkristall der Empörung ist die Einführung in den Fall Rüterwis. Im Protokoll steht: «Zuerst erläutert Schulpräsidentin Claudia Irniger die Umstände, die zur heutigen Situation im Schulhaus Rüterwis geführt haben, die Massnahmen der Schulpflege sowie die gesetzlichen Zuständigkeiten im Bereich der Führung der Lehrpersonen.»
Der Inhalt ihrer Erläuterung fehlt im Protokoll. Etwa auch die Schilderung der Situation, als sie den Namen eines Schulpflegers (GLP) erwähnte, was an der Gemeindeversammlung tumultartig ausartete. Gemäss Paragraf 17 des Gemeindegesetzes gab es drei Anfragen zur Schule Rüterwis. Gefordert wurde Auskunft über Schulleitung, Leiter Bildung, Kündigungsfrist und Freistellung, Aktivität der Schulpflege, Schulpräsidentin, Mediation, Kosten, Schulbesuche, Verantwortung und Gesamtgemeinderat. Gemeindeschreiber Markus Gossweiler las die Fragen vor, Claudia Irniger antwortete. Diese Fragen, Antworten und Ergänzungen der Anfragestellenden wie auch die Diskussion sind auf rund 13 Seiten protokolliert (siehe www.zollikon.ch).
Eine Grundsatzfrage lautet, welche Art von Protokoll ist angebracht bzw. gesetzlich vorgeschrieben
für eine Gemeindeversammlung? Vittorio Jenni, Leiter der Abteilung Gemeinderecht des Kantons Zürich: «Im Allgemeinen unterscheiden wir zwischen Beschluss-, Wort- und Beratungsprotokoll. Wichtig ist jedoch, dass ein Protokoll knapp und präzise Beschlüsse, Anträge und auch Beanstandungen zum Verfahren erfasst nach Paragraf 6 des Gemeindegesetzes.» In einem minimalen Protokoll seien nebst Beschlüssen auch Traktanden, Anzahl Stimmberechtigte, Tag, Ort und Zeit aufgeführt. «Wortprotokolle sind nicht für alle Voten verlangt, jede Gemeinde hat jedoch ihr System entwickelt», so Vittorio Jenni. «Es ist daher wichtig, dass die Gemeinde bei ihrer Praxis bleibt.» Er spricht auch von einer möglichen Mischform zwischen Beschluss- und Beratungsprotokoll mit einzelnen Wortmeldungen.
Das kantonale Gemeindeamt unterstützt die Gemeinden, ihre teilweise komplexen Aufgaben zu erfüllen und sich nach kantonalem Recht zu organisieren. «Gemäss einem Behördenerlass des Gemeinderats vom 10. April 2019 hat sich die Protokollführung der Gemeindeversammlung auf die gestellten Anträge, wesentlichen Voten aus der Versammlung, die Beschlüsse und allfälligen Beanstandungen zum Verfahren zu beschränken», erklärt Gemeindeschreiber Gossweiler. «Das Protokoll wird vom Gemeindepräsidium und Stimmenzählenden auf seine Richtigkeit geprüft und unterzeichnet – anschliessend wird es veröffentlicht.» Er habe derart emotional geladene Diskussionen zur Protokollführung in seiner über dreissigjährigen Karriere noch nie erlebt. Irritiert habe ihn auch, dass nach der Versammlung ein Stimmberechtigter im Gemeindehaus angerufen hat, und eine Ergänzung des Protokolls diktieren wollte – notabene mit einem faktenwidrigen Zitat.
Wie vom Gemeindepräsidenten jeweils zu Beginn bekannt gegeben, wird die Versammlung aufgezeichnet. «Dies unterstützt die Protokollführung in Zweifelsfällen», sagt Gemeindeschreiber Gossweiler. Die Tonaufzeichnungen sind jedoch nicht öffentlich. Protokolle sind auch eine Art Visitenkarten einer Behörde und verraten viel über Organisation und Effizienz. Protokolle sind nicht nur Informationsmittel oder Gedächtnisstützen, sie sind auch Beweismittel für die Rechtmässigkeit von Beschlüssen. An Zeugen fehlt es für die Zolliker Gemeindeversammlung kaum – im Gemeindesaal sassen am 14. Juni 394 Stimmberechtigte. Man kann gespannt sein, wie es weiter geht mit den neun vom Bezirksrat zur Vernehmlassung überwiesenen Aufsichtsbeschwerden – mit einer Frist bis am 31. Juli 2023. Interessant wäre auch, wie viele Stunden die Gemeinde für die Beantwortung der Beschwerden aufwenden muss. Es könnte in der Jahresrechnung 2023 ein nicht budgetierter Kostenfaktor sein – direkte Demokratie hat ihren Preis.
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Eine Antwort
„Der Impfkristall der Empörung“ sorry aber ich kann nicht folgen. Was genau soll das bedeuten, ist der Impfkristall der Höhepunkt von… ja von was genau? Möchte sich hier jemand mit dem Schöpfen von neuen Metaphern einen Namen machen? Wie wärs mit „Der Zuckerhut der Entgleisung“ oder „Der Raketenantrieb der Groteske“? Bitte verwendet doch einfach die gängigen Wortspiele. Danke.