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S’isch Sächsilüüte

Von Franca Siegfried ‒ 12. April 2024

Vom 12. bis 15. April wird in Zürich gefeiert. Mitten drin der Zolliker Christoph Nater. Er amtet seit letztem Frühling als Constaffelherr der Gesellschaft zur Constaffel, der ­einzigen Gesellschaft neben den 25 Zünften.

Constaffelherr Christoph Nater mit seiner Tochter Anne-Sophie am ­Sechseläuten 2023. (Bild: zvg)
Constaffelherr Christoph Nater mit seiner Tochter Anne-Sophie am ­Sechseläuten 2023. (Bild: zvg)

Letztes Wochenende zeigte das Thermometer in Zürich 25 Grad – klimatologisch Sommertage. Nun soll nächsten Montag um 18 Uhr der Böögg verbrannt werden. Die sogenannte «Böögg-Prognose»: Je schneller er explodiert und brennt, umso schöner der Sommer. Leidet etwa der Brauch des Frühlings­festes auch am Klimawandel? Die nächsten Jahre werden es zeigen. Das Frühlingsfest ist für die 25 Zünfte und die Gesellschaft zur Constaffel ein besonderes Wochenende. Nicht nur der Schneemann auf einem 13 Meter hohen Holzhaufen wird verbrannt, am Sonntag ziehen kostümierte Kinder durch die Stadt. Und am Montag promenieren die Zünfter und die Gesellschaft zur Constaffel in traditionellen Kostümen mit Ehrengästen am Sechseläutenumzug.

Herr Nater, warum ist die Gesellschaft zur Constaffel keine Zunft, sondern eine Gesellschaft?

Ritter Rudolf Brun führte 1336 in der Stadt Zürich eine neue Ver­fassung ein, mit der er die Handwerker in 13 Zünfte organisierte und an der Macht beteiligte. Diejenigen Personen, die in keine handwerklichen Berufe eingeteilt werden konnten, zum Beispiel ­Ritter, Edelleute, Kaufleute und Goldschmiede, fasste er in der Constaffel zusammen.

Sie sind in Zollikon aufgewachsen, sind promovierter Jurist und Anwalt. Wann sind Sie Constaffel-Mitglied geworden?

Aktiv beteiligt am Zunftwesen bin ich seit meiner Kindheit. Zuerst als Edelknabe in der Kindergruppe, danach als Jungconstaffler bis zu meiner Aufnahme vor ziemlich genau 20 Jahren. Zu verdanken habe ich den Bezug zur Constaffel meinem Grossvater und meinem Vater, beide Mitglieder unserer Gesellschaft.

Wie muss man sich das vorstellen – brauchten Sie dafür einen Götti?

Jede Zunft beziehungsweise Gesellschaft bestimmt eigenständig über ihre Mitgliederstruktur. Bei uns werden insbesondere Söhne und Schwiegersöhne aufgenommen. Die Aufnahme steht grundsätzlich auch Dritten offen, auch wenn wir entsprechenden Begehren aufgrund der grossen Nachfrage nur sehr beschränkt nachkommen können. Wer sich um eine Aufnahme bemüht, muss mindestens zwei Jahre an unseren Anlässen teilnehmen und von drei Göttis unterstützt werden.

Also keine Nachwuchsprobleme …

Glücklicherweise nicht. Das Interesse am Zunftwesen generell und an der Constaffel ist derzeit enorm gross. Die Jungen scheinen sich für die Pflege von Traditionen sehr zu interessieren.

Warum liessen Sie sich zum Con­staffelherr wählen?

Das Milizprinzip liegt mir am ­Herzen. Die Schweiz funktioniert nur, wenn sich die Bürger für das Gemeinwohl einsetzen und sich engagieren. Das Sechseläuten und das Zunftwesen ganz generell ist der Inbegriff des freiwilligen Engagements – und hierfür engagiere ich mich gerne.

Was sind Ihre Aufgaben?

Als Constaffelherr darf ich die ­Gesellschaft durch das Sechse­läuten führen. Dazu gehört die ­Einladung von Ehrengästen, das Halten von Reden sowie das spontane Replizieren auf die Sprecher der­jenigen Zünfte, die mich am Abend im Rahmen des Auszuges be­suchen. Unter dem Jahr darf ich
die Constaffel bei anderen Zünften vertreten, meist verbunden mit ­einer launigen Rede. Grundsätzlich sind die Aufgaben mit dem Vereinspräsidenten eines Sport- oder ­Gesellschaftsclubs zu vergleichen.

Alles ziemlich zeitintensiv …

Ja, das ist richtig. Aber ich habe Freude, mich während der Freizeit für das Zunftwesen zu engagieren. Es ist eine sehr freundschaftliche Verbundenheit, die viel Schönes mit sich bringt. Hinzu kommt, dass es sich beim Sechseläuten ­inklusive Kinderumzug um ein identitätsstiftendes Volksfest handelt, das Jung und Alt zusammenbringt.

Sie sind verheiratet, arbeitstätig und haben drei Kinder – wie funktioniert das?

Meine Frau ist ebenfalls mit dem Zunftwesen aufgewachsen und engagiert sich zum Beispiel im Damenkomitee, das für die Herausgabe der Kinderkostüme verantwortlich ist. Ohne Unterstützung der Familie hätte ich ein solches Amt nicht übernehmen können. Es ist schön, dass wir diese Leidenschaft zusammen teilen können.

Am Samstagabend finden diverse Bälle statt. Organisiert die Con­staffel auch einen Ball?

Bei den Bällen handelt es sich um festliche Abendanlässe, die meist von privaten Komitees organisiert werden. Die Zünfter und ihre Damen haben die Möglichkeit, an ­einem Ball ihrer Wahl teilzunehmen und dort Freunde anderer Zünfte zu treffen. In der Constaffel organisieren wir keinen Ball, sondern treffen uns für ein festliches Nachtessen auf dem Rüden – ganz so wie vor rund 600 Jahren, als der Rüden als «Trinkstube» fungierte und man das soziale Zusammensein genoss.

Ein neues junges Gastgeber-Paar engagiert sich im Haus zum Rüden. Wer ist zuständig für die Wahl der Pächter?

Als Constaffelherr bin ich zusammen mit meinem Vorstand auch zuständig für das Haus zum Rüden am Limmatquai, das um 1340 gebaut wurde. Unsere Aufgabe ist es, das wunderbare Haus instand zu halten und die notwendigen Investitionen zu tätigen. Dazu gehört auch die Wahl der Pächter.

Am Montag werden Sie als Constaffelherr am Umzug Ehrengäste begleiten. Können Sie uns Namen verraten?

Wir dürfen den Chef der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli; Laura Meyer, CEO von Hotelplan; Kunsthausdirektorin Ann Demeester; Stadtrat André Odermatt sowie die Rektoren der ETH und Uni begrüssen. Letztere sind regelmässig unsere Gäste, da wir eine enge Verbindung zu unseren Bildungsinstitutionen pflegen. Ich freue mich sehr auf ihre Anwesenheit und ihre Reden, die durchaus etwas ernst sein dürfen.

Zum Schluss Ihre Prognose – nach wieviel Minuten wird der Böögg explodieren?

Nach der letztjährigen Rekordbrenndauer gehe ich von einer ­Explosion nach acht Minuten und 45 Sekunden aus – der Böögg will zeigen, dass er es auch anders kann!

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Eine Antwort

  1. Als bescheidener Wiediker Quartierzöiter interessieren mich solche Artikel auch. Allerdings würde der hohe Constaffelherr den Titel anders, nämlich züritüütsch (und deutsch) korrekt so schreiben: ’s Sächsilüüte. Dass auch von Beruf Schreibende nicht wissen, welche Bedeutung ein Apostroph hat, ist sehr bedauerlich. Bernhard Kamer

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