Von Franca Siegfried ‒ 7. September 2023
Die meisten Rekurse zur Verkehrsanordnung für die Rad- und Para-Cycling-Strassen-WM 2024 hat der Kanton abgewimmelt. Mit dem Argument «öffentliches Interesse» sollten sich alle Bedenken in Luft auflösen. Auch der Gewerbeverband Bezirk Meilen musste den Rekurs zurückziehen – verlangte jedoch als Entgegenkommen ein Gespräch am runden Tisch. Letzte Woche trafen sich sechs Gewerbetreibende und die Präsidentin des Gewerbeverbands Bezirk Meilen wie auch deren Anwalt mit Vertretern und Vertreterinnen der Kantonspolizei, des kantonalen Sportamtes und des Organisationskomitees der Rad-WM 24.
Mit dabei war Roger Jeker, Geschäftsführer von Widmer Gartenbau AG. Der Zolliker Zumiker Bote trifft ihn im Gewerbezentrum an der Rietstrasse. Als Einführung ins Gespräch skizziert der Gartenbauer den Routenplan des Sportanlasses durch Zollikon und Küsnacht. Die Rennstrecke führt unter anderem durch beide Gemeinden teilweise auf und teilweise oberhalb der Seestrasse. Mit der Einfahrt Forchstrasse bei Küsnacht gibt es eine einzige Ausfahrt aus dem Zirkel in der Zeit zwischen 7 und 18 Uhr, da die Rennstrecken für den übrigen Verkehr gesperrt sind. Jekers Betrieb ist auf sechs verschiedene Standorte inner- und ausserhalb der Strecken verteilt: den Geschäftssitz inklusive Magazin, den Pflanzenverkauf an der Seestrasse und vier Aussenlager.
Alle Lieferungen, Abfuhren, Material-Anlieferungen von Externen, auch Kranwagen, werden Umwege mit enormem Zeitverlust fahren müssen. Ähnliches wird auch bei allen anderen Gewerblern geschehen. Ich frage mich schon jetzt, wie die medizinische Versorgung der Bevölkerung garantiert wird. Alle müssen die gleiche Aus- und Einfahrt benützen von und nach Forch/Ebmatingen. Dieses Konzept ist einfach zu kurz gedacht.
Die Beamten erklärten, dass man schon mit einer kurzen Wartezeit rechnen müsste. Sehr zurückhaltend nahmen sie unsere Bedenken zur Kenntnis. Wir vom Bezirk haben unsere Situation erklärt – mehr passierte nicht – ohne konkrete Lösungsvorschläge zur Verkehrsplanung.
Man hat sich höflich positiv geäussert und unsere Probleme, unsere Kritik zur Kenntnis genommen.
Eigentlich ist der Anlass für die einen eine schöne Sache. Aber der Austragungsort durch die Gemeinden ist mehr als problematisch, ebenso die Dauer der Weltmeisterschaft. Ich bin nicht sicher, ob unsere Politikerinnen und Politiker realisieren, welche Auswirkungen die Veranstaltung haben wird. Wir Gewerbler haben uns getroffen. Je mehr wir darüber sprachen, umso klarer wurden uns die fatalen Konsequenzen für unsere Betriebe, unsere Mitarbeitenden wie auch für Kundinnen, Kunden und Bevölkerung.
Wir werden Umsatzeinbussen in Kauf nehmen müssen. Wichtiges Material wird uns fehlen, die Kundschaft wird unzufrieden sein, weil wir Termine nicht einhalten können. Und alle werden im Stau stehen. Der Öffentliche Verkehr wird kollabieren. Man darf nicht vergessen, dass auch noch tausende Sportfans an die Rennstrecken reisen wollen.
Entschädigung ist kein Thema, obwohl sich die Umsatzeinbussen leicht berechnen liessen. Wir Gewerbler vom Pfannenstiel machen ein unfreiwilliges Sponsoring, ohne Verdankung und Werbebanner. Hart ausgedrückt ist es für uns eine Art Arbeitsverbot.
Wir haben Verträge, müssen Termine einhalten und befinden uns in der Hauptsaison. Sie denken vielleicht, das dauert ja nur eine gute Woche. Aber bei uns ist jeder Tag verplant und so auch unsere 33 Mitarbeitenden. Wir haben jedoch vorsorglich eine Mitteilung am Informationsbrett angeheftet, dass wir es begrüssen, falls jemand Ferien vom 21. bis am 29. September 2024 nehmen möchte.
Dabei würden 80 Prozent der Arbeitsleistung entschädigt …
Wohl kaum (lacht), denn eine Rad-WM ist kein Notfall, kein schlechtes Wetter und keine Naturkatastrophe. Die Arbeitslosenversicherung wird sich kaum darauf einlassen.
Die Kibag. Das Werk beliefert nebst uns Gartenbauer viele Baumeister, auch im Tief- und Strassenbau im ganzen Kanton. Die anderen Kibag-Werke könnten mit ihrer Kapazität die Ausfälle bei den Betonlieferungen nicht ausgleichen. Ich denke auch an den Detailhandel, die Lebensmittel-Produzenten und die Lieferanten der Apotheken, alles ohne normale Tages-Kundschaft. Mövenpick Wein an der Seestrasse zum Beispiel wird von 7 Uhr bis 18 Uhr für niemanden mit Fahrzeugen erreichbar sein.
Ich denke, Reaktionen kommen erst, wenn im nächsten September Gitter aufgestellt werden und manche realisieren, dass sie für neun Tage eingesperrt sein werden – alles im Sinne des öffentlichen Interesses.
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